Prof. Dr. Wolfgang Reimann
Rz. 85
Hat der Erblasser die Anwendung einer bestimmten Tabelle letztwillig verfügt, ist damit eine entscheidende Vorfrage, die sich ohne besondere Vergütungsregelung stellen würde, schon erledigt. Gleichwohl können sich in der Folge Probleme ergeben. Vor allem bei großen Nachlässen, bei den sich aufgrund der vom Erblasser verfügten Tabelle eine besonders hohe Vergütung errechnen würde, neigen die Vergütungsschuldner regelmäßig dazu, die Verfügung anzufechten unter Hinweis darauf, der Erblasser habe sich über die absolute Höhe der Vergütung bei der pauschalen Verweisung auf die Tabelle getäuscht.
Rz. 86
Die Anfechtbarkeit von letztwilligen Verfügungen richtet sich bei letztwilligen Verfügungen nicht nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 119 ff. BGB), sondern nach den besonderen Normen des Erbrechts (§§ 2084 ff. BGB). Einschlägig ist § 2078 Abs. 1 BGB. Eine letztwillige Verfügung kann hiernach angefochten werden, wenn der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben hätte.
Rz. 87
Hat der Erblasser sich über die Höhe der Vergütung nach einer bestimmten Tabelle getäuscht, kann ein Inhaltsirrtum gem. § 2078 Abs. 1 BGB vorliegen. Voraussetzung ist stets, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage die Erklärung nicht abgegeben hätte. Der Irrtum muss also für die Verfügung bestimmend oder zumindest derartig mitbestimmend gewesen sein, dass der Erblasser sie ohne die irrige Vorstellung nicht getroffen hätte.
Die Anfechtungsberechtigung ergibt sich aus § 2080 BGB, anfechtungsberechtigt ist somit jeder, welchem die Aufhebung der betreffenden letztwilligen Verfügung unmittelbar zugutekommen würde.
Ob ein derartiger Irrtum vorlag und kausal für die Anordnung einer bestimmten Tabelle gewesen ist, ist eine Tatfrage. Der Beweis für den Anfechtungsgrund (Irrtum) obliegt demjenigen, der sich auf die Wirksamkeit der Anfechtung beruft. Etwaige Anhaltspunkte für einen Willensmangel müssen sich aber nicht aus der letztwilligen Verfügung ergeben, sondern können auch durch andere nachgewiesene Äußerungen des Erblassers, auch mündliche, entnommen werden.
Rz. 88
Eine wirksame – form- oder fristgerecht erfolgte – Anfechtung führt zur Nichtigkeit der angefochtenen Erklärung (§ 142 BGB). Diese erfasst aber nicht das gesamte Testament, sondern nur die angefochtene Erklärung und diese auch nur insoweit als anzunehmen ist, dass der Erblasser sie bei Kenntnis der Sachlage nicht getroffen hätte. Dies ergibt sich schon aus dem favor testamenti (§ 2084 BGB).
Rz. 89
Ist im Einzelfall die letztwillige Anordnung des Erblassers, eine bestimmte Tabelle sei für die Vergütung des Testamentsvollstreckers maßgebend, wegen Anfechtung nichtig, ist durch Auslegung zu ermitteln, was der Erblasser gewollt hat oder gewollt haben könnte. Regelmäßig wird das Ergebnis der Auslegung nicht zur Folge haben, dass der Testamentsvollstrecker die Testamentsvollstreckung unentgeltlich durchzuführen habe. Anstelle der nichtigen Bezugnahme auf eine Tabelle tritt dann die gesetzliche Regelung des § 2221 BGB, wonach der Testamentsvollstrecker eine angemessene Vergütung beanspruchen kann. Es gelten dann die Überlegungen, die in den Vorabschnitten enthalten sind.