Rz. 32
Der unter Rdn 29 f. behandelte Verzugsschadensersatz nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB umfasst die Schäden, die aufgrund des Schuldnerverzuges entstehen und durch Nacherfüllung nicht beseitigt werden können und für die der Gläubiger Ersatz neben der Vertragsleistung verlangt. Der Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 BGB umfasst demgegenüber die Schäden, für die der Gläubiger Ersatz statt der – durch den Rücktritt oder die Vertragskündigung weggefallenen – Vertragsleistung verlangt. Wichtigstes Beispiel hierfür sind Mehrkosten, die infolge des Rücktritts oder der Kündigung durch die Beauftragung einer Drittfirma mit der Weiterführung und Fertigstellung der Bauarbeiten entstehen.
Nach der Rechtsprechung ist § 323 Abs. 4 BGB auf den Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB analog anwendbar. Das bedeutet, dass auch die Verletzung einer noch nicht fälligen, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vertragspflicht durch den Schuldner seine Haftung aus § 281 BGB begründen kann, nämlich wenn bereits jetzt feststeht, dass er sie auch zum künftigen Fälligkeitszeitpunkt nicht erfüllt haben wird. Diese analoge Anwendbarkeit folgt aus dem Umstand, dass der Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB immer dann auf Grundlage eines Werkvertrags geltend gemacht werden kann, wenn dieser Vertrag in ein sog. Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Rz. 33
Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist, dass der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Was angemessen ist, ist eine Einzelfallentscheidung. Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen (§ 281 Abs. 2 BGB). Hier gelten die Ausführungen unter Rdn 18 ff. gleichermaßen.
Rz. 34
Wenn der Auftragnehmer eine Teilleistung bewirkt hat, dann kann der Auftraggeber gem. § 281 Abs. 1 S. 2 BGB Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Die Anwendung des § 281 Abs. 1 S. 2 BGB setzt voraus, dass die Vertragsleistung quantitativ teilbar ist. In der insolvenzrechtlichen Rechtsprechung wird im Hinblick auf § 105 InsO die Teilbarkeit von Leistungen bei gegenseitigen Verträgen – worunter auch Bauverträge fallen – bejaht.
Rz. 35
Wenn der Auftragnehmer eine Vertragsfrist nur geringfügig überschreitet, dann kann das nach Treu und Glauben zu einer Beschränkung des Schadensersatzanspruchs führen.
Rz. 36
Zusätzlich zu den vorstehenden, im allgemeinen Leistungsstörungsrecht geregelten Rechtsfolgen besteht seit dem 1.1.2018 ein spezielles werkvertragliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für beide Vertragsparteien für den Fall, dass dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann (§ 648a BGB). Als wichtiger Kündigungsgrund kommt auch die Verzögerung der Leistung durch den Auftragnehmer in Betracht.
Eine Teilkündigung ist möglich, sie muss sich jedoch auf einen abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks beziehen (§ 648a Abs. 2 BGB).