Rz. 195
In Bauverträgen werden typischerweise Vertragsstrafen bzw. Pönalen für Fristüberschreitungen vereinbart. Regelungen zur Vertragsstrafe sind in § 309 Nr. 6 BGB, §§ 339–345 BGB, § 8 Abs. 7 VOB/B und § 11 VOB/B enthalten. Weder nach dem Gesetz noch nach der VOB/B kann eine Vertragspartei automatisch eine Vertragsstrafe geltend machen. Die im Gesetz und in der VOB/B enthaltenen Regelungen setzen vielmehr voraus, dass eine Vertragsstrafe vertraglich vereinbart wurde.
1. Vertragsstrafengrundlagen nach §§ 339–345 BGB
Rz. 196
Wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine Vertragsstrafe für den Fall nicht fristgerechter Ausführung der Bauleistung versprochen hat, dann ist die Vertragsstrafe verwirkt, wenn der Auftragnehmer in Schuldnerverzug gerät (§ 339 S. 1 BGB). Auf die Ausführungen unter Rdn 1 wird verwiesen.
Rz. 197
Der Verzug endet mit der Fertigstellung der Leistung oder mit Rücktritt des Auftraggebers vom Vertrag bzw. Kündigung des Vertrages nach § 8 VOB/B (§ 8 Abs. 7 VOB/B), da hierdurch die Leistungspflichten für die Zukunft entfallen und nicht – wie vom Auftraggeber oft gedacht – mit der Abnahme.
Rz. 198
Der Auftraggeber kann die Vertragsstrafe als Mindestbetrag des Verzugsschadens verlangen, die Geltendmachung eines darüber hinaus gehenden Schadens ist möglich (§§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB), auf diesen ist die Vertragsstrafe anzurechnen.
2. Vertragsstrafengrundlagen nach § 11 VOB/B
Rz. 199
Auch in einem VOB/B-Bauvertrag gelten im Falle einer Vertragsstrafenvereinbarung grundsätzlich die Regelungen der §§ 339–345 BGB (§ 11 Abs. 1 VOB/B) (siehe Rdn 196).
Rz. 200
§ 11 Abs. 3 VOB/B enthält eine besondere Regel für die Berechnung der Vertragsstrafe wegen Frist- bzw. Terminüberschreitung. Wenn die Vertragsstrafe nach Tagen bemessen ist, dann zählen nur Werktage. Wenn die Vertragsstrafe nach Wochen bemessen ist, dann wird jeder Werktag angefangener Wochen als 1/6 Woche gerechnet.
3. Festlegung von Fristen bzw. Terminen zur Bewehrung mit einer Vertragsstrafe
Rz. 201
Voraussetzung für einen automatischen Verzugseintritt ist, dass es sich bei der überschrittenen Frist um eine verbindlich vereinbarte Vertragsfrist gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB und § 5 Abs. 1 S. 1 VOB/B handelt. Das bedeutet, dass in einem Bauzeitenplan enthaltene Einzelfristen nur dann Grundlage einer Vertragsstrafenvereinbarung sein können, wenn dies im Bauvertrag ausdrücklich vereinbart ist (siehe hierzu ausführlich unter Rdn 5 ff.).
Vertragsstrafenklauseln in Bauverträgen sind in der Regel Allgemeine Geschäftsbedingungen, die daher auch AGB-widrig sein können und es auch häufig sind. Nach dem BGH werden Vertragsstrafenklauseln betreffend Zwischen- und Endtermine AGB-technisch getrennt beurteilt, d.h. jeweils einer eigenen Inhaltskontrolle unterzogen.
4. Vertragsstrafe für "dynamische" Termine (terminneutrale Vertragsstrafe)
Rz. 202
Die Vertragsfrist bzw. der Vertragstermin selbst muss zwar kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein, die kalendermäßige Bezeichnung muss aber nicht zwingend auch in die Vertragsstrafenklausel aufgenommen werden. Es ist möglich, die Vertragsstrafenklausel "terminneutral" zu formulieren, etwa in der Art, dass das Strafversprechen an einen bestimmten – in einer anderen Vertragsklausel eindeutig definierten – Termin (z.B. Fertigstellungstermin) gekoppelt wird, ohne dass die kalendermäßige Bezeichnung des Termins in die Vertragsstrafenklausel übernommen wird. Auch dies stellt eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung dar.
5. Geltung der Vertragsstrafe bei angepassten Fristen bzw. Terminen
Rz. 203
Es gibt zwei Wege, auf denen vertraglich vereinbarte Fristen bzw. Termine nachträglich angepasst werden können:
▪ |
durch vertragliche Vereinbarung neuer Fristen bzw. Termine, |
▪ |
durch Frist-/Terminanpassung nach § 6 Abs. 2, 4 VOB/B. |
Rz. 204
Die ursprünglich vereinbarte Vertragsstrafe, die sich auf die ursprünglich vereinbarten Fristen bzw. Termine bezieht, gilt bei einer späteren Vereinbarung neuer Fristen bzw. Termine nicht automatisch auch für diese, sondern nur dann, wenn die Vertragsparteien dies vereinbaren. Dies ist bei der voran geführten "terminneutralen" Vertragsstrafenregelung nicht erforderlich.
6. Wegfall der Vertragsstrafe
Rz. 205
Es gibt mehrere Gründe, aus denen eine Vertragsstrafe wegfallen kann:
▪ |
Wegfall des Vertragsstrafenversprechens wegen Neuordnung der Termine, |
▪ |
Wegfall einer bereits verwirkten Vertragsstrafe wegen späterer Vereinbarung neuer Fristen/Termine, |
▪ |
Wegfall einer verwirkten Vertragsstrafe wegen fehlenden Vorbehalts bei der Abnahme. |
Rz. 206
Ob eine erhebliche Verzögerung der Bauausführung mit dem Zwang zur völligen Neuordnung des Terminplans durch den Auftragnehmer vorliegt, unterliegt de...