Rz. 23
Bei den sog. Fideikommisskonstruktionen werden typischerweise mehrere Personen nacheinander zu Nacherben eingesetzt ("weitere Nacherbfolge", "gestaffelte Nacherbfolge", "gestufte Nacherbfolge", "Nach-Nacherbfolge"). Der zunächst berufene Nacherbe steht in einem solchen Fall dem folgenden Nacherben zunächst wieder als Vorerbe gegenüber. Der Vorerbe soll nicht frei über die in den Nachlass fallenden Gegenstände verfügen können. Anders als der Ersatzerbe, der nur hilfsweise, also beim Ausfall des Nacherben, berufen ist, soll dem weiteren Nacherben der Nachlass im Regelfall ungeschmälert zukommen. Hieraus folgt, dass der weitere Nacherbe eine sehr viel stärkere Rechtsposition innehat als der Ersatznacherbe.
Rz. 24
In derartigen Fällen bleibt allerdings zu prüfen, ob bei der im Einzelfall gegebenen Dauer der Nacherbfolge weitere Nacherben überhaupt noch berechtigt sein könnten. § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB beschränkt die Wirksamkeit einer Nacherbfolgeanordnung auf 30 Jahre. Diese Frist beginnt mit dem auf den Tod des Erblassers folgenden Tag und endet 30 Jahre später (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB). Die 30-jährige Begrenzung der Nacherbfolgeanordnung gilt auch bei der gestaffelten Nacherbfolge, so dass auch insoweit die angeordnete Nacherbfolge 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls unwirksam wird.
Rz. 25
Ausnahmsweise bleibt nach § 2109 Abs. 1 S. 2 BGB auch nach Ablauf der 30-Jahres-Frist die Nacherbfolgeanordnung wirksam, wenn "die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zurzeit des Erbfalls lebt". Das in der Person des Vor- oder Nacherben vorausgesetzte Ereignis kann auch dessen Tod sein. Somit bleiben letztwillige Verfügungen auch nach dem Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall wirksam, durch die angeordnet worden ist, dass eine zur Zeit des Erbfalls lebende Person nach dem Tod des zunächst eingesetzten Vorerben Vorerbe werden soll. Es ist also zu prüfen, ob die weiteren Nacherben bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls gelebt haben. Ist dies nicht der Fall, verliert die Nacherbfolgeanordnung mit dem Ableben des letzten Vorerben, der den ursprünglichen Erbfall erlebt hatte oder zum Zeitpunkt des Erbfalls wenigstens gezeugt war (§ 1923 Abs. 2 BGB), dann ihre Wirksamkeit. Die Rechtsfolge dieses Wirksamkeitsverlusts besteht darin, dass die Erbschaft dem (letzten) Nacherben endgültig verbleibt. Seine Zustimmung ist bei einer dem Vorerben nach dem Gesetz nicht gestatteten Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände im Rahmen von § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB erforderlich. Er unterliegt dann nicht mehr den Bindungen der Nacherbfolgeanordnungen, sodass auch das Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB die möglichen weiteren Nacherben dann nicht mehr schützt; ihre Zustimmung zu unentgeltlichen Verfügungen ist dann nicht mehr nötig.
Rz. 26
Bei gestaffelter Nacherbfolge muss der Ausnahmetatbestand des § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB für jeden Nacherbfall gesondert geprüft werden. Die Nacherbeneinsetzung wird unwirksam, wenn die Frist von 30 Jahren nach dem Erbfall überschritten ist und der zweite Nacherbe zur Zeit des Erbfalls noch nicht gelebt hat. Nach Fristablauf fällt die Beschränkung des Vorerben weg; er wird Vollerbe. Bei mehrfacher Vorerbschaft wird derjenige Vorerbe Vollerbe, in dessen Zeitdauer das Ende der Frist fällt.