A. Einführung
Rz. 1
Der einstweilige Rechtsschutz ist für die arbeitsgerichtliche Praxis von erheblicher Bedeutung. Was für den Zivilprozess gilt, trifft auf das Verfahren vor den Arbeitsgerichten gleichermaßen zu, obwohl hier das Beschleunigungsgebot der §§ 9 Abs. 1, 56, 61a ArbGG gilt: Die häufig lange Dauer gerade der I. Instanz ist mit der Gefahr verbunden, dass bis zu ihrem Abschluss vollendete Tatsachen eintreten oder geschaffen werden, die die Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs erschweren, wenn nicht sogar vereiteln.
Rz. 2
Um effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, können mit Arrest und einstweiliger Verfügung vorläufige Maßnahmen getroffen werden. Sie ergehen aufgrund eines abgekürzten, summarischen Verfahrens, das ohne notwendige mündliche Verhandlung auskommt, auf eine Beweisaufnahme verzichtet und auf eine vorläufige Regelung ausgerichtet ist. Arrest und einstweilige Verfügung dienen der Sicherung von Ansprüchen; sie sind nicht auf ihre unmittelbare Durchsetzung ausgerichtet. Die Entscheidung in der Hauptsache soll und darf grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Dennoch kommen unter besonderen Voraussetzungen auch Leistungsverfügungen in Betracht, die nicht nur zur Sicherung von Ansprüchen, sondern zu ihrer Erfüllung führen.
Rz. 3
Vor den Arbeitsgerichten spielen Arrestverfahren keine wesentliche Rolle. Anders verhält es sich mit einstweiligen Verfügungen, die in Angelegenheiten des Urteilsverfahrens (§ 2 ArbGG) und des Beschlussverfahrens (§ 2a ArbGG) ein breites Anwendungsfeld finden. Auch im Zusammenhang mit Kündigungsschutzverfahren treten häufig Streitfragen auf, die alsbald zu entscheiden sind und deshalb Verfügungsanträge nahelegen. Hier stehen Ansprüche auf Beschäftigung oder Weiterbeschäftigung als Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes im Vordergrund. Darüber hinaus geht es um Abwicklungsfragen, um Arbeitsentgelt, Abwehr von Wettbewerbsverstößen, Herausgabeansprüche und schließlich um Arbeitspapiere und Zeugnis.
B. Arrest und einstweilige Verfügung
I. Verfahrensrechtliche Grundlagen
Rz. 4
Nach § 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG finden auf den Arrest und die einstweilige Verfügung die Vorschriften der §§ 916 ff. ZPO Anwendung. Dies betrifft Angelegenheiten, die § 2 ArbGG dem Urteilsverfahren zuweist, also vornehmlich Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Für Angelegenheiten des Beschlussverfahrens nach § 2a ArbGG, insbesondere für betriebsverfassungsrechtliche Auseinandersetzungen, gilt die Verweisung über § 85 Abs. 2 ArbGG.
Rz. 5
Arrest und einstweilige Verfügung sind nicht auf Erfüllung, sondern auf Sicherung oder einstweilige Regelung ausgerichtet, um einen bestehenden Zustand im Interesse des Gläubigers vor nachteiligen Veränderungen zu schützen, die die Durchsetzung seines Anspruchs vereiteln oder erschweren. Streitgegenstand des einstweiligen Rechtsschutzes ist deshalb nicht der Anspruch selbst, sondern die Zulässigkeit seiner (zwangsweisen) Sicherung.
Rz. 6
Dennoch wird durch die Zustellung des Arrest- und des Verfügungsantrages die Verjährung des zu sichernden Anspruchs gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB). Ungeklärt ist, ob das Arrest- oder Verfügungsgesuch das Erlöschen eines Anspruchs verhindert, der aufgrund einer zweistufigen Ausschlussklausel gerichtlich geltend zu machen ist. Nach der Rspr. des BAG muss der betroffene Anspruch Streitgegenstand der Klage sein. § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB stellt jedoch die Einleitung des Arrest- und des Verfügungsverfahrens der Klageerhebung in der Hauptsache gleich. Dies dürfte auch im Hinblick auf eine zweistufige Ausschlussfrist gelten.
Rz. 7
Die Vorschriften über das Arrest- und das Verfügungsverfahren stimmen im Wesentlichen überein (§§ 916 ff., 936 ZPO). Zuständig ist das Gericht der Hauptsache (§§ 919, 937 Abs. 1 ZPO). Gericht der Hauptsache ist das Arbeitsgericht, bei dem der zu sichernde Anspruch bereits anhängig ist oder das im Hauptsacheverfahren zu entscheiden hätte. Soweit die Hauptsache sich bereits im Berufungsverfahren befindet, ist das LAG für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zuständig. Mit der Rechtskraft des Berufungsurteils und ebenso mit der Einlegung der Revision wird wiederum die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für das Arrest- und das Verfügungsverfahren begründet (§ 943 Abs. 1 ZPO). Seit der Änderung des GVG und des ArbGG durch das 4. VwGO-ÄndG v. 17.12.1990 bleibt für die Wahlzuständigkeit des Amtsgerichts nach § 919 ZPO und seine Notzuständigkeit nach § 942 ZPO im arbeitsgerichtlichen Verfahren kein Raum.
Rz. 8
Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gliedert sich in zwei Teile, die Anordnung und die Vollziehung der Sicherung. Für das Erkenntnisverfahren gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 46 ff. ArbGG) mit zwei Besonderheiten: Die mündliche Verhandlung ist im Arrestprozess freigestellt (§ 922 Abs. 1 ZPO). Im Verfügungsverfahren kann nur in dringenden Fällen ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 62 Abs. 2 S. 2 ArbGG), selbst wenn der Antrag zurückgewiesen werden soll. An die Stelle voller Beweisführung tritt die Glaubhaftmachung (§ 920 Ab...