Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 103
Nach dem Ultima-Ratio-Prinzip, welches das gesamte Kündigungsrecht beherrscht, kommt eine Kündigung stets nur als letztes Mittel in Betracht (BAG v. 30.5.1978 – 2 AZR 630/76, DB 1978, 1790). Der Arbeitgeber muss daher in jedem Fall versuchen, die Kündigung durch andere geeignete Maßnahmen abzuwenden (BAG v. 30.11.1989 – 2/AZR 197/89, NZA 1990, 529).
Bei verhaltensbedingten Kündigungen ist wegen des Ultima-Ratio-Prinzips i.d.R. erforderlich, dass der Arbeitnehmer zuvor wegen eines anderen früheren Vertragsverstoßes einschlägig abgemahnt worden ist, damit der Arbeitgeber wegen eines gleichartigen Verhaltens eine verhaltensbedingte Beendigungskündigung aussprechen kann.
Der Arbeitgeber muss stets prüfen, ob er den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz, ggf. auch zu schlechteren Bedingungen, weiterbeschäftigen kann und dem Arbeitnehmer ggf. einen solchen Arbeitsplatz anbieten. Dabei muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass mit dieser Maßnahme – ggf. im Wege einer Änderungskündigung – eine anderenfalls erforderliche Beendigungskündigung vermieden werden soll. Der Arbeitnehmer kann das Angebot vorbehaltlos annehmen und so in die Änderung des Arbeitsvertrages einwilligen. Er kann auch das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung nicht sozialwidrig ist. Der Arbeitgeber muss dann eine Änderungskündigung aussprechen, die der Arbeitnehmer ggf. nach Maßgabe der §§ 2 und 4 KSchG auf ihre soziale Rechtfertigung hin überprüfen lassen kann (zur Änderungskündigung vgl. im Einzelnen § 25 Rdn 1 ff.). Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot endgültig und vorbehaltlos ab, kann der Arbeitgeber kündigen, ohne dass der Arbeitnehmer ihn im Kündigungsschutzprozess auf die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen verweisen kann. Versäumt es der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer eine objektiv mögliche Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen anzubieten, die beiden Arbeitsvertragsparteien zumutbar sind, und beruft sich der Arbeitnehmer später im Prozess darauf, ist die Kündigung unwirksam (sog. Vorrang der Änderungskündigung, BAG v. 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, DB 1985, 1186). Die Weiterbeschäftigungspflicht auf einem freien Arbeitsplatz ist dabei nicht nur betriebs-, sondern unternehmensbezogen (BAG v. 17.5.1984 – 2 AZR 109/83, NZA 1985, 489).