Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 513
Die finanziellen Verhältnisse des Arbeitnehmers gehören zum Bereich seiner privaten Lebensführung und sind daher grds. dem aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Pflichtenkatalog entzogen. Häufige Lohnpfändungen können daher nur ausnahmsweise eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen (BAG v. 4.11.1981, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung m. Anm. v. Hoyningen-Huene; BAG v. 15.10.1992, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; a.A. Preis, DB 1990, 630, 632). Eine solche Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn die Lohnpfändungen oder -abtretungen für den Arbeitgeber in seiner Rolle als Drittschuldner nach §§ 828 ff. ZPO zu einem Arbeitsaufwand führen, der nach objektiver Beurteilung wesentliche Störungen im Arbeitsablauf bspw. in der Lohnbuchhaltung oder in der betrieblichen Organisation verursacht.
Rz. 514
Infolgedessen wird die Kündigung wegen häufiger Lohnpfändungen nach wohl herrschender Meinung als verhaltensbedingte Kündigung wegen außerdienstlichen Verhaltens angesehen (BAG v. 4.11.1981, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung m. Anm. v. Hoyningen-Huene; offengelassen von BAG v. 15.10.1992, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; a.A. Reuther, JuS 1982, 544: Personenbedingter Kündigungsgrund).
Rz. 515
Nach Ansicht des BAG ist vor Ausspruch einer Kündigung wegen häufiger Lohnpfändungen keine Abmahnung erforderlich (BAG v. 4.11.1981, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung). Nach wohl herrschender Meinung in der Literatur und einem Teil der obergerichtlichen Rspr. (Lepke, RDA 1980, 194; Nickel, SAE 1983, 207, 209; KR/Griebeling, § 1 KSchG Rn 461; Berkowsky, NZA-RR, 2001, 68; LAG Berlin v. 10.10.1978, DB 1979, 605; LAG Hamm v. 21.9.1977, DB 1977, 2237) ist zunächst eine Abmahnung aussprechen.