Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 592
Unter Betrieb ist auch ein von verschiedenen Unternehmen gemeinsam geführter Betrieb zu verstehen. Ein solcher liegt vor, wenn sich die beteiligten Unternehmen zumindest stillschweigend über die einheitliche Leitung der organisatorischen Einheit, die zur Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke gebildet ist, rechtlich verbunden haben. Dieser einheitliche Leitungsapparat muss sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in den sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken. Sie braucht nicht in einer einheitlichen vertraglichen Vereinbarung der beteiligten Unternehmen geregelt zu sein. Vielmehr genügt es, dass sich ihre Existenz aus den tatsächlichen Umständen herleiten lässt, etwa die Ausübung der Arbeitgeberfunktion von derselben institutionellen Leitung (BAG v. 13.6.1985, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG; BAG v. 18.10.2000, AP Nr. 49 zu § 15 KSchG). Eine solche Führungsvereinbarung ist allerdings noch nicht anzunehmen, wenn mehrere Unternehmen auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen konzernrechtlich zusammenarbeiten (BAG v. 18.1.1990, AP Nr. 9 zu § 23 KSchG) oder die Holding-Gesellschaft aufgrund ihrer konzernrechtlichen Leitungsmacht in bestimmten Bereichen ggü. den zuständigen Organen der Tochtergesellschaften Anordnungen treffen kann (BAG v. 13.6.2002 – 2 AZR 327/01, NZA 2002, 1147).
Rz. 593
Führen mehrere Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb, ist vor der Kündigung eines in dem Gemeinschaftsbetrieb beschäftigten Arbeitnehmers unabhängig davon, mit welchem Betreiberunternehmen der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, zu prüfen, ob in dem Gemeinschaftsbetrieb ein geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden könnte (BAG v. 13.6.1985, AP Nr. 10 zu § 1 KSchG m. Anm. Wiedermann; BAG v. 5.5.1994, AP Nr. 23 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl m. Anm. Mummenhoff; BAG v. 18.10.2000, AP Nr. 39 zu § 9 KSchG; BAG v. 22.9.2005, NZA 2006, 486).
Rz. 594
Der Arbeitgeber, bei dem der zur Kündigung vorgesehene Arbeitnehmer angestellt ist, hat zudem Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht nur in dem Gemeinschaftsbetrieb, sondern auch in weiteren Betrieben, die er ggf. führt, zu prüfen. Weitere Betriebe, die andere an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligte Unternehmen führen, bleiben dagegen unberücksichtigt, da insoweit eine arbeitsvertragliche Verbindung nicht besteht (APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 85; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 741).