Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 22
Geschäftsführer im nicht organschaftlichen Sinne, bspw. Arbeitnehmer, die leitende unternehmerische Aufgaben im kaufmännischen, organisatorischen, technischen oder personellen Bereich wahrnehmen (Schaub/Linck, ArbRHB, § 130 Rn 7; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn 8a), Betriebsleiter oder sonstige leitende Angestellte genießen zwar grds. den allgemeinen Kündigungsschutz. Dieser ist jedoch gem. § 14 Abs. 2 KSchG eingeschränkt. § 3 KSchG (Kündigungseinspruch ggü. dem Betriebsrat) findet gem. § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG keine Anwendung. § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG (Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts) findet gem. § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
Rz. 23
Betriebsleiter i.S.v. § 14 Abs. 2 KSchG ist, wer innerhalb eines Unternehmens einen selbstständigen Betrieb eigenverantwortlich führt, dabei bedeutungsvolle unternehmerische Teilaufgaben wahrnimmt, Vorgesetzter der im Betrieb Beschäftigten ist, das Weisungsrecht ausübt und bei seiner Tätigkeit einen erheblichen Entscheidungsspielraum hat (BAG v. 25.11.1993 – 2 AZR 517/93, NZA 1994, 837).
Rz. 24
Unter dem Begriff der "ähnlichen leitenden Angestellten" versteht man Arbeitnehmer, die innerhalb des Unternehmens oder Betriebes Führungsaufgaben wahrnehmen und Vorgesetzte einer nicht ganz geringen Anzahl von Arbeitnehmern sind (BAG v. 28.9.1961, AP KSchG § 1, Personenbedingte Kündigung Rn 1).
Rz. 25
Unstreitig und ausweislich des Wortlautes des § 14 Abs. 2 KSchG fallen "ähnliche leitenden Angestellte" nur dann unter § 14 Abs. 2 KSchG, wenn sie zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind.
Rz. 26
Ob auch Geschäftsführer (ohne Organstellung) und Betriebsleiter berechtigt sein müssen, selbstständig Arbeitnehmer einzustellen oder zu entlassen, um unter die Ausnahmeregelung des § 14 Abs. 2 KSchG zu fallen, ist umstritten. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG lässt dies offen. Die Einschränkung "soweit diese" kann sich sowohl auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte beziehen, als auch nur auf die vor den Worten "soweit diese" zuletzt genannten "ähnlichen leitenden Angestellten".
Rz. 27
Das BAG (18.10.2000 – 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437) und die herrschende Meinung (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 14 KSchG Rn 25; KR/Rost, § 14 KSchG Rn 24 und 27) gehen davon aus, dass Geschäftsführer (ohne Organstellung) und Betriebsleiter ebenfalls berechtigt sein müssen, Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen, um als leitende Angestellte i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG zu gelten.
Rz. 28
Die Gegenauffassung kritisiert, dass die von der herrschenden Meinung vorgeschlagene Auslegung den tatsächlichen Verhältnissen in größeren Unternehmen nicht gerecht wird (APS/Biebl, § 14 KSchG Rn 23; Bengelsdorff, FS 50 Jahre BAG, S. 331, 335). Bei einer zentralisierten Personalverwaltung wäre dann häufig nur der Leiter der Personalabteilung leitender Angestellter, während dies nach der vom BAG vorgenommenen Auslegung nicht einmal für Angestellte der ersten Leitungsebene oder Leiter von Betrieben mit ggf. mehreren hundert Arbeitnehmern gelte. Bei Geschäftsführern und Betriebsleitern i.S.v. § 14 Abs. 2 KSchG sei es deshalb nicht erforderlich, dass sie zur selbstständigen Entlassung oder Einstellung von Arbeitnehmern berechtigt sind.
Rz. 29
Nach § 3 KSchG kann der Arbeitnehmer binnen einer Woche nach der Kündigung Einspruch beim Betriebsrat einlegen. Leitenden Angestellten steht dieses – allerdings in der Praxis ohnehin nicht bedeutsame Recht (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 3 Rn 1, 12; KR/Rost, § 3 KSchG Rn 7; APS/Künzl, § 3 KSchG Rn 3) – nicht zu. Sie unterfallen gem. § 5 Abs. 3 S. 1 BetrVG grds. nicht dem Schutz des BetrVG. Der Arbeitgeber muss vor der Kündigung eines leitenden Angestellten den Betriebsrat auch nicht gem. § 102 BetrVG anhören, sondern ihm die beabsichtigte Kündigung gem. § 105 BetrVG lediglich rechtzeitig mitteilen.
Rz. 30
Zu beachten ist jedoch nicht, dass der Begriff des leitenden Angestellten im BetrVG nicht mit demjenigen im KSchG deckungsgleich ist. Leitende Angestellte fallen bereits dann unter § 14 Abs. 2 KSchG, wenn sie zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, während § 5 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG diese Kompetenzen kumulativ fordert. Es ist daher umstritten, ob § 3 KSchG auch dann ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer zwar die Definition des leitenden Angestellten i.S.v. § 14 Abs. 2 KSchG erfüllt, er jedoch nicht leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG ist. Die herrschende Meinung (KR/Rost, § 14 KSchG Rn 36; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 14 KSchG Rn 33; APS/Biebl, § 14 KSchG Rn 28) nimmt daher zu Recht eine teleologische Reduktion des § 14 Abs. 2 S. 1 KSchG vor. Infolgedessen ist das Einspruchsrecht nach § 3 BetrVG nur dann ausgeschlossen, wenn der Angestellte sowohl leitender Angestellter im kündigungsschutz- als auch im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne ist.
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