Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
(1) Gegendarstellungs- und Beschwerderecht
Rz. 389
Der Arbeitnehmer hat gem. § 83 Abs. 2 BetrVG ein Recht zur Gegendarstellung und gem. § 84 Abs. 1 BetrVG ein Beschwerderecht, wenn eine ihm erteilte Abmahnung inhaltlich unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, die ihn in seiner Rechtsstellung und seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen können oder wenn diese inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist.
(2) Entfernung aus der Personalakte
Rz. 390
Nimmt der Arbeitgeber eine Abmahnung, die sachlich unbegründet ist, zur Personalakte, verletzt er den Arbeitnehmer dadurch in dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht. Der Arbeitnehmer kann nach der Rspr. des BAG aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in analoger Anwendung der §§ 242, 1004 BGB verlangen, dass der Arbeitgeber die Abmahnung widerruft und das Abmahnungsschreiben aus der Personalakte entfernt, wenn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Ausübung seines Gläubigerrechtes fehlt (BAG v. 27.11.1985, AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht m. Anm. Echterhölter; BAG v. 15.1.1986, AP Nr. 96 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht m. Anm. Echterhölter; BAG v. 30.5.1996, EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 34).
Rz. 391
Hat der Arbeitgeber in einem Abmahnungsschreiben mehrere Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers abgemahnt und trifft nur eine der Pflichtverletzungen, die dem Arbeitnehmer vorgeworfen werden, nicht zu, so ist die Abmahnung i.d.R. bereits deshalb aus der Personalakte zu entfernen (BAG v. 13.3.1991, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Abmahnung).
Rz. 392
Der Arbeitnehmer kann ferner vom Arbeitgeber verlangen, eine Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen, die zwar ursprünglich berechtigt gewesen sein mag, mittlerweile aber für die weitere Beurteilung überflüssig geworden ist (BAG v. 27.1.1988, NZA 1988, 654; BAG v. 14.12.1994, NZA 1995, 676).
Rz. 393
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer i.d.R. noch ein Rechtsschutzinteresse an einer Klage auf Entfernung einer unberechtigten Abmahnung aus der Personalakte. Derartige Klagen sind infolgedessen zwar zulässig, regelmäßig allerdings unbegründet, weil das berufliche Fortkommen bei dem bisherigen Arbeitgeber durch die Abmahnung nicht mehr behindert werden kann (BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung). Ausnahmsweise ist eine solche Klage begründet, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann. Hierfür ist aber der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig (BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung).
(3) Keine Verpflichtung des Arbeitnehmers, gegen eine unzutreffende Abmahnung vorzugehen
Rz. 394
Der Arbeitnehmer ist i.Ü. nicht verpflichtet, gegen eine unzutreffende Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Verzichtet er zunächst darauf, gerichtlich prüfen zu lassen, ob die ihm erteilte Abmahnung wirksam ist, bleibt es ihm unbenommen, den abgemahnten Vertragsverstoß in einem späteren Kündigungsschutzprozess zu bestreiten (BAG v. 13.3.1987, NZA 1987, 518). Aus dem Umstand, dass der abgemahnte Arbeitnehmer nicht gerichtlich gegen die Abmahnung vorgeht, kann der Arbeitgeber nicht schließen, die aus seiner Sicht begangene Pflichtwidrigkeit sei unstreitig (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 528). Ferner ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Entfernung einer Abmahnung im laufenden Arbeitsverhältnis den Bestand des Arbeitsverhältnisses zumindest faktisch gefährden und zudem auch ungewiss sein kann, ob eine Abmahnung jemals kündigungsrechtliche Bedeutung zukommen wird (APS/Dörner, § 1 KSchG Rn 411). Ist der Arbeitnehmer indes gegen die Abmahnung gerichtlich vorgegangen und wurde rechtskräftig festgestellt, dass sie gerechtfertigt war, ist das Gericht, welches über die verhaltensbedingte Kündigung zu entscheiden hat, an die Entscheidung über die Rechtswirksamkeit der Abmahnung nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtskraft gebunden.