Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 220
Auch die krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit kann einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen (BAG v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Rn 10). Eine krankheitsbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht gänzlich als arbeitsunfähig ausfällt, er aber keine dem Vertragsinhalt qualitativ und/oder quantitativ entsprechende Arbeitsleistung erbringen kann. Die Prüfung der Rechtsmäßigkeit einer Kündigung wegen krankheitsbedingter Minderung der Leistungsfähigkeit erfolgt, wie auch bei den übrigen krankheitsbedingten Kündigungen, in drei Stufen.
aa) Negative Gesundheitsprognose
Rz. 221
Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung muss zu erwarten sein, dass der Arbeitnehmer auch künftig in erheblichem Umfang Minderleistungen erbringt (BAG v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit).
bb) Betriebliche und/oder wirtschaftliche Beeinträchtigung
Rz. 222
Hier gelten grds. die allgemeinen Voraussetzungen der Kündigung wegen Leistungsminderung (vgl. Rdn 130 ff.). Insb. kommt bei einer Kündigung wegen dauerhafter krankheitsbedingter Leistungsminderung eine wirtschaftliche Belastung in Betracht, weil der gezahlten Vergütung keine adäquate Arbeitsleistung mehr gegenübersteht (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 410).
Es ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitgeber nur eine "individuelle Normalleistung" vom Arbeitnehmer verlangen kann (BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693). Leistungsmängel sind daher kündigungsrechtlich erst relevant, wenn sie sich deutlich vom Leistungsniveau sonstiger Arbeitnehmer abheben, die zwar unter dem Durchschnitt liegen, aber noch hinreichend leistungsfähig sind (BAG v. 17.1.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693: Fehlerquote von etwa dem Dreifachen des Durchschnittes; BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 667/02, AP Nr. 48 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung: Unterschreitung der Durchschnittsleistung um 40 bis 50 % über mehr als ein Jahr; BAG v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit: Minderleistung von 2/3 der Normalarbeitsleistung als erhebliche betriebliche Beeinträchtigung eingestuft).
cc) Interessenabwägung
Rz. 223
In der Interessenabwägung müssen die Ursache der Krankheit, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses sowie das Lebensalter des Arbeitnehmers einfließen (BAG v. 26.9.1991 – 2 AZR 132/91, AP Nr. 28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Zu berücksichtigen ist auch, welche Maßnahmen der Arbeitgeber unternommen hat, um den Arbeitnehmer seiner körperlichen Verfassung entsprechend einzusetzen (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 410).