Rz. 1310

Wird über das Vermögen des Arbeitgebers nach Zugang der Kündigung das Insolvenzverfahren eröffnet, stellt sich die Frage, ob ein zuvor gerichtlich geltend gemachtes Wiedereinstellungsbegehren in Form eines Anspruchs auf Abgabe einer vertragsbegründenden Willenserklärung als Insolvenzforderung nach § 38 InsO oder als Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu qualifizieren ist. Zu den Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zählen vor allem Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen wie dem Arbeitsverhältnis, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfüllen sind. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Ansprüche und Forderungen sind demgegenüber keine Masse-, sondern bloße Insolvenzforderungen. Das LAG Hamm (v. 5.3.2021 – 16 Sa 100/20, NZI 2021, 652) war insoweit unter Hinweis auf Sinn und Zweck von §§ 103 ff., 108 ff. InsO von einer Insolvenzforderung ausgegangen. Das BAG (v. 25.5.2022 – 6 AZR 224/21, NZA 2022, 1201; dazu Röger/Brüggert, ZIP 2022, 2528, 2533 f.) judizierte in der dazu ergangenen Revisionsentscheidung, dass ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründeter Anspruch auf Wiedereinstellung gegen den bisherigen Arbeitgeber oder einen Erwerber mit Insolvenzeröffnung erlösche, sodass daraus keine Masseverbindlichkeiten mehr entstehen könnten.

 

Rz. 1311

In der Insolvenz des Arbeitgebers besteht kein Wiedereinstellungsanspruch, da die Insolvenzordnung für den Verwalter keinen Kontrahierungszwang in Bezug auf Arbeitverhältnisse vorsieht. § 108 Abs. 1 InsO statuiert lediglich eine Bindung an bestimmte, vom Insolvenzschuldner bereits begründete Rechtsverhältnisse. Zu diesen zählt zwar das Arbeitsverhältnis, der Anwendungsbereich des § 108 Abs. 1 InsO erfasst aber keine Wiedereinstellungsansprüche der Arbeitnehmer bei späterem Wegfall des Kündigungsgrunds. Ein Wiedereinstellungsanspruch scheidet danach insolvenzbedingt aus (vgl. Röger/Brüggert, ZIP 2022, 2528, 2533),

wenn der noch nicht insolvente Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis wirksam betriebsbedingt wegen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit kündigt und es anschließend zu einem Betriebsübergang auf einen neuen Inhaber kommt, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird;
wenn der Arbeitgeber wirksam betriebsbedingt wegen Wegfalls der Beschäftigung kündigt und im Rahmen des sich über sein Vermögen anschließenden Insolvenzverfahrens später ein Betriebsübergang stattfindet;
wenn der Insolvenzverwalter ein Arbeitsverhältnis wirksam betriebsbedingt wegen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit kündigt und es anschließend im Insolvenzverfahren zu einem Betriebsübergang kommt.

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