Rz. 167
Die Verweisung ist gebührenrechtlich geregelt in § 20 RVG, die Zurückverweisung in § 21 RVG.
Rz. 168
Verweisung nach § 20 RVG
Soweit eine Sache an ein anderes Gericht verwiesen oder abgegeben wird (z.B. weil das örtlich oder sachlich unzuständige Gericht angerufen wurde und auf Antrag des Klägers nun die Verweisung an das zuständige Gericht erfolgt), sind die Verfahren vor dem verweisenden oder abgebenden und vor dem übernehmenden Gericht ein Rechtszug, § 20 S. 1 RVG. Mit dieser in § 20 S. 1 RVG genannten Verweisung ist eine Verweisung innerhalb einer Instanz gemeint.
Rz. 169
Beispiel
Klage vor dem Amtsgericht Neuss. Das Amtsgericht Neuss erklärt sich für örtlich unzuständig und fordert den Kläger auf, Verweisung an das örtlich zuständige Amtsgericht Grevenbroich zu beantragen. Dieser Antrag wird auch vom Kläger gestellt. Für den klägerischen Anwalt bleibt es bei einer (1) Verfahrensgebühr, auch wenn zwei Gerichte angerufen worden sind.
Rz. 170
Büromäßige Behandlung:
§ 20 S. 1 RVG regelt zwar klar, dass für den Rechtsanwalt keine neuen Gebühren entstehen, wenn eine Sache i.S.d. § 20 S. 1 RVG verwiesen wird. Zu bedenken ist jedoch, dass der Beklagte möglicherweise doch Anspruch darauf haben kann, dass ihm Mehrkosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts durch den Kläger entstandenen sind, erstattet werden, auch wenn der Kläger den Prozess in der Hauptsache gewinnt. Wird z.B. eine Klage in München eingereicht, obwohl sie in Hamburg hätte eingereicht werden müssen, und hat nun der Beklagte zunächst in München (weil er glaubte, dass dort das Verfahren auch durchgeführt wird) einen Rechtsanwalt beauftragt und beauftragt er dann einen weiteren Rechtsanwalt in Hamburg, entstehen gesonderte Gebühren für diese Rechtsanwälte. § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO regelt für solche Fälle, dass dem Kläger die Mehrkosten auch dann aufzuerlegen sind, wenn er in der Hauptsache obsiegt. Es sollte daher in der Kanzlei immer penibel darauf geachtet werden, eine Klage oder einen Antrag an das sachlich wie örtlich zuständige Gericht zu richten, um solche Mehrkosten zu vermeiden.
Rz. 171
§ 20 S. 2 RVG regelt eine andere Art von Verweisung als § 20 S. 1 RVG und kommt in der Praxis nur sehr selten vor. Denn hier wird erst im zweitinstanzlichen Verfahren die Sache an ein Gericht des niedrigeren Rechtszugs verwiesen, weil bereits erstinstanzlich das falsche Gericht mit der Sache befasst war. In § 20 S. 2 RVG ist geregelt, dass, wenn eine Sache von einem Rechtsmittelgericht an ein Gericht eines niedrigeren Rechtszugs verwiesen oder abgegeben wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht einen neuen Rechtszug darstellt. Dies bedeutet in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, dass alle Gebühren neu entstehen können, eine Anrechnung entstandener Gebühren auf weiter entstehende Gebühren ist nicht vorgesehen. Diese Art der Verweisung ist zwar in der Praxis – wie gesagt – sehr selten. Allerdings sollte man darauf achten, die Verweisung nach Satz 1 nicht mit der Verweisung nach Satz 2 zu verwechseln, weil sie völlig konträre Ergebnisse hervorbringen. Weitaus häufiger kommt die Verweisung nach § 20 S. 1 RVG oder die Zurückverweisung nach § 21 Abs. 1 RVG vor.
Rz. 172
Beispiel – seltene Verweisung nach § 20 S. 2 RVG
Klage vor dem Amtsgericht München. Das Amtsgericht München entscheidet durch Endurteil. Gegen diese Entscheidung wird Berufung zum Landgericht München I eingelegt. Das Landgericht München I (als 2. Instanz) erklärt den gewählten Rechtsweg für unzuständig und gibt die Sache an das zuständige Arbeitsgericht München ab. Hier erfolgt eine Verweisung von einem übergeordneten Gericht (Landgericht München I als 2. Instanz; übergeordnet dem Amtsgericht München) an ein Gericht des niedrigeren Rechtszuges (Arbeitsgericht, 1. Instanz, weil der angerufene Rechtszug falsch war (Zivilgericht statt Arbeitsgericht). Folge: Alle Gebühren können vor dem Arbeitsgericht neu entstehen. Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr muss nicht erfolgen! De facto werden drei Angelegenheiten abgerechnet (Verfahren vor dem AG München, Verfahren vor dem LG München I und das Verfahren vor dem Arbeitsgericht München).
Rz. 173
Zurückverweisung nach § 21 RVG
Wenn eine Sache zurückverwiesen wird, dann in der Regel von einem zweitinstanzlichen Gericht von der Berufungsinstanz zurück in die erste Instanz an das Gericht, das mit der Sache bereits befasst war, weil z.B. keine ordnungsgemäße Beweisaufnahme in der 1. Instanz erfolgt ist. Soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das mit der Sache bereits befasst war, handelt es sich zwar um einen neuen Rechtszug, aber die vor diesem Gericht bereits entstandene Verfahrensgebühr ist allerdings auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen, vgl. dazu Vorbemerkung 3 Abs. 6 VV RVG. Die Zurückverweisung ist nicht zu verwechseln mit der Zurückweisung z.B. einer Berufung. Bei der Zurückweisung erhält der Berufungskläger in der Sache nicht recht. Die Berufungsinstanz ist abgeschlossen, das Ve...