a) Steuerfreistellung
Rz. 832
§ 6 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG regelt – spiegelbildlich zu § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG – den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf einen (Abs. 2) oder mehrere Gesamthänder (Abs. 1). Die Begrifflichkeiten sowie das Funktionsprinzip entspricht dem zu § 5 GrEStG Dargestellten.
Rz. 833
Ein Sonderfall der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf einen oder mehrere Gesamthänder bildet die Auflösung der Gesamthand. Insoweit enthalten § 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 GrEStG entsprechende Spezialregelungen. Abweichend von den allgemeinen Grundsätzen, denen zufolge der Umfang der Steuerbefreiung von der (allgemeinen) Vermögensbeteiligung des einzelnen Gesamthänders abhängt, ist bei Auseinandersetzungsvorgängen vorrangig auf die Auseinandersetzungsquote abzustellen, soweit diese von der allgemeinen Vermögensbeteiligung abweicht. § 6 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 S. 2 GrEStG kommen also nur dann zur Anwendung, wenn die Gesamthänder für den Fall der Auflösung der Gesamthand eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Auseinandersetzungsquote festgelegt haben.
Rz. 834
Einen weiteren Sonderfall regelt § 6 Abs. 3 GrEStG, nämlich den Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand. Diese Vorgänge fallen, wie bereits erwähnt (Rdn 827), nicht unter § 5 GrEStG, weil dort nur natürliche Personen sowie Kapitalgesellschaften als Einbringende in Betracht kommen.
Rz. 835
§ 6 Abs. 3 GrEStG sorgt dafür, dass Übertragungsvorgänge zwischen zwei Gesamthandsgemeinschaften, an denen dieselben Gesamthänder beteiligt sind, im Ergebnis ebenso besteuert werden, wie die Übertragung eines Grundstücks von einer Gesamthand auf die Gesamthänder (zu Miteigentum) und die sich daran anschließende Weiterübertragung der (neu) entstandenen Miteigentumsanteile der Gesamthänder auf eine weitere Gesamthandsgemeinschaft. Zur Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen enthält § 6 Abs. 3 GrEStG einen S. 2, der inhaltlich (und nach seiner Funktionsweise) § 5 Abs. 1 S. 2 GrEStG entspricht.
Im Falle des Grundstücksübergangs von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, die zur Körperschaftsteuer optiert hat, sind die Privilegierungen nach § 6 Abs. 3 S. 1 GrEStG nicht anwendbar (§ 6 Abs. 3 S. 4 GrEStG).
Rz. 836
Der Anwendungsbereich von § 6 Abs. 3 GrEStG ist umfassend; in Betracht kommen sämtliche Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 GrEStG.
b) Missbrauchsprävention
Rz. 837
Denkbare Steuerumgehungen werden durch § 6 Abs. 4 GrEStG vermieden. Die Vorschrift verhindert die Inanspruchnahme der Steuerbefreiungen der Absätze 1 bis 3, wenn innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb bzw. Hinzuerwerb einer Gesamthandsbeteiligung Grundstücke von der Gesamthand auf einen der Gesamthänder übertragen werden. Die Vorschrift ist so formuliert, dass die Absicht der Steuerumgehung nicht zu den Tatbestandsmerkmalen gehört. Vielmehr entfallen die nach § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG möglichen Steuerbefreiungen im Wege einer typisierenden Betrachtung immer dann, wenn der erwerbende Gesamthänder (im Falle des Erwerbs durch Erbfolge sein Rechtsvorgänger) seinen Anteil an der Gesamthand innerhalb von zehn Jahren vor dem in Rede stehenden Erwerbsvorgang durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Dem Erwerb steht die Vereinbarung einer von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Auseinandersetzungsquote gleich. Die Steuerbefreiung entfällt allerdings nicht für alle Gesamthänder, sondern nur insoweit, wie auf einen oder mehrere Gesamthänder der Tatbestand des § 6 Abs. 4 GrEStG zutrifft.
Rz. 838
Im Übrigen wird die Vorschrift insoweit einschränkend ausgelegt, als Grundstücksumsätze, die sich innerhalb von zehn Jahren seit der Gründung der Gesamthand ereignen, nicht per se der Besteuerung unterliegen. Wenn die veräußernde Gesamthand noch keine zehn Jahre vor dem Erwerbsvorgang bestanden hat, ist die Sperrfrist des § 6 Abs. 4 grundsätzlich bedeutungslos. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Beteiligungsverhältnisse seit dem Erwerb des in Rede stehenden Grundstücks durch die Gesamthand unverändert geblieben sind. Ebenso greift § 6 Abs. 4 GrEStG nicht ein, wenn eine Veränderung der prozentuellen Beteiligungsverhältnisse zwar innerhalb der Fünfjahresfrist eintritt, das auf einen der Gesamthänder oder eine andere Gesamthand übergehende Grundstück aber erst nach dieser Veränderung von der Gesamthandsgemeinschaft erworben wurde und sich seitdem die Beteiligungsverhältnisse nicht mehr geändert haben.
Rz. 839
Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift sind Anteilsveränderungen aufgrund Erbes von Todes wegen für § 6 Abs. 4 GrEStG irrelevant. Der bzw. die Gesamtrechtsnachfolger treten im Hinblick auf die Sperrfrist vielmehr in die Rechtsposition des Erblassers ein. Rechtsprechung und Literatur wenden dieselben Grundsätze auch d...