Rz. 162

Die Bewertung des bedingten oder befristeten Erwerbs von Wirtschaftsgütern bzw. Verbindlichkeiten (Lasten) ist in §§ 4 bis 8 BewG geregelt. Ob eine Bedingung oder Befristung überhaupt vorliegt, richtet sich allein nach der zivilrechtlichen Sachverhaltsbeurteilung.[200] Eine aufschiebende Bedingung liegt gem. § 158 Abs. 1 BGB vor, wenn ein Rechtsgeschäft vom Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht wird. Bei der Bedingung muss es sich um ein zukünftiges ungewisses Ereignis handeln. Bei einer auflösenden Bedingung endigt mit dem Eintritt der Bedingung die Wirkung des Rechtsgeschäfts (§ 158 Abs. 2 BGB).

 

Rz. 163

Gegenstand der Bedingung kann jedes zukünftige Ereignis sein, insbesondere auch Handlungen eines Dritten[201] oder der Parteien selbst (Potestativbedingung).[202] Vor diesem Hintergrund kommt als Bedingung beispielsweise auch die Ausübung eines Options-[203] oder Rücktrittsrechts[204] in Betracht, ebenso die Gewährung von Tantiemen, die im freien Ermessen des Arbeitgebers bzw. – im Falle von Gesellschaftergeschäftsführern – der Gesellschafter steht.[205] Potestativbedingungen müssen aber, um bewertungsrechtliche Relevanz zu haben, entweder rechtsgeschäftlich[206] oder durch Gesetz[207] festgelegt sein; sie dürfen nicht ausschließlich im freien Belieben des Erwerbers stehen.[208]

 

Rz. 164

Gem. § 4 BewG wird der am Stichtag (noch) aufschiebend bedingte Erwerb eines Wirtschaftsguts (bzw. einer wirtschaftlichen Einheit) vorläufig nicht berücksichtigt.

Tritt die aufschiebende Bedingung ein, ist die bisherige Besteuerung zu korrigieren. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass die Änderung des Umfangs des steuerpflichtigen Erwerbs regelmäßig erst mit dem Stichtag des Bedingungseintritts wirksam wird. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch dann, wenn Gegenstand der Bedingung die Erteilung einer behördlichen Genehmigung (z.B. des Familien- bzw. Vormundschaftsgerichts) ist, da diese nicht § 4 BewG unterfällt[209] und regelmäßig steuerliche Rückwirkung entfaltet.[210] Soweit aber die Parteien die Wirksamkeit des zwischen ihnen geschlossenen Rechtsgeschäfts von der Erteilung einer – wie auch immer gearteten – behördlichen Genehmigung abhängig machen, fällt dies unter § 4 BewG;[211] die Rückwirkung der Genehmigung als solcher spielt dann keine Rolle.[212]

[201] BayObLG v. 8.11.1985 – BReg. 2 Z 119–122/84, NJW-RR 1986, 94.
[202] BFH v. 5.3.1986 – II R 239/83, BFH/NV 1987, 424; Gottschalk/Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 28.
[203] BFH v. 5.3.1971 – III 130/68, BStBl II 1971, 481.
[204] Vgl. R B 4 Abs. 1 S. 5 ErbStR 2019.
[205] BFH v. 10.5.1968 – III R 112/67, BStBl II 1968, 703. Anders aber, wenn der Tantiemeanspruch dem Grunde nach vertraglich festgelegt ist und nur die Höhe an betragsmäßig wechselnde Bezugsgrößen (z.B. Jahresgewinn) gekoppelt ist, BFH v. 26.6.1970 – III R 98/69, BStBl II 1970, 735, 736; vgl. auch Gottschalk/Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 28 m.w.N.
[207] BFH v. 10.5.1972 – III 83/71, BStBl II 1972, 688.
[210] Vgl. R E 9.1 Abs. 3 S. 4 ErbStR 2019; Gottschalk/Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 24.
[212] Ebenso Gottschalk/Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 12 Rn 24.

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