Rz. 106
Wohnraummietverhältnisse, mit Ausnahme der in § 549 Abs. 2, 3 und § 573a BGB genannten Mietverhältnisse, können gem. § 573 BGB nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Vermieters gekündigt werden. Dem kann der Mieter ein Widerspruchsrecht nach § 574 BGB entgegensetzen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushaltes eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (vgl. Rdn 20). Hierdurch entsteht erhebliches Konfliktpotential, zumal ein Teil der Instanzgerichte dazu neigt, die Anforderungen an die Darlegungslast für das Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden Grundes zu Lasten des Vermieters zu überspannen. Ausreichend muss sein, dass der Kündigungsgrund durch Angabe von Tatsachen so ausführlich bezeichnet wird, dass er identifiziert und von anderen Lebenssachverhalten unterschieden werden kann (vgl. auch Rdn 17 ff.).
Als zur Kündigung berechtigendes Interesse sind im Gesetz beispielhaft aufgezählt:
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nicht unerhebliche schuldhafte Vertragsverletzung durch den Mieter |
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Eigenbedarf des Vermieters für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Hausstandes |
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Hinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung mit erheblichen Nachteilen bei Fortsetzung des Mietverhältnisses. |
a) Schuldhafte Vertragsverletzung
Rz. 107
Der Mieter muss seine vertraglichen Verpflichtungen durch sein Tun oder Unterlassen schuldhaft verletzt haben. Solche Pflichtverstöße sind z.B. Zahlungsrückstände, ständig unpünktliche Zahlungen, unbefugte Gebrauchsüberlassung, Verletzung von Erhaltungs- und Obhutspflichten, Belästigung oder Beleidigung von Vermieter oder anderen Mietparteien, schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten. Die für eine fristlose Kündigung, z.B. gem. der §§ 543, 569 BGB, erforderliche Intensität muss dabei nicht erreicht werden. Wurde der Vertrag mit mehreren Mietern geschlossen, so genügt die schuldhafte Vertragsverletzung durch einen Mieter.
Rz. 108
Zwar setzt eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses über Wohnraum durch den Vermieter wegen schuldhafter nicht unerheblicher Vertragsverletzung des Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) nicht eine Abmahnung durch den Vermieter voraus, allerdings kann der Abmahnung für die Kündigung ausnahmsweise insoweit Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht.
b) Eigenbedarf des Vermieters
Rz. 109
Der Vermieter kann Eigenbedarf für sich, zu seinem Hausstand gehörende Personen oder seine Familienangehörigen an dem Mietobjekt geltend machen. Dieses Recht entspringt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, wonach insbesondere die Freiheit, einen Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen, geschützt wird. Hierzu gehört auch die Freiheit, sein Leben durch Gebrauch seines Eigentums so einzurichten, wie man es für richtig hält. Gleichwohl dürften über die Berechtigung von Eigenbedarfskündigungen in der Praxis am häufigsten Kündigungsstreitigkeiten entstehen, was sich auch in der Anzahl der publizierten Entscheidungen, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, ablesen lässt.
Rz. 110
Voraussetzung für das Vorliegen von Eigenbedarf ist, entgegen dem scheinbaren Gesetzeswortlaut, keine Notsituation des Vermieters dergestalt, dass er anderweitig nicht angemessen untergebracht wäre. Vielmehr genügt es, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder den berechtigten Personenkreis hat. Grds. ist dabei der Wunsch des Vermieters, seine Wohnung für sich selbst zu nutzen, zu respektieren. Ein Gericht ist grds. nicht berechtigt, seine Vorstellungen an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen.
Rz. 111
Dies gilt insbesondere auch für die Frage, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich und seine Angehörigen als angemessen ansieht. Eine insoweit missverständliche Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Gericht zu prüfen habe, ob ein "weit überhöhter" Wohnbedarf geltend gemacht werde, wird von den Mietgerichten oft im gegenteiligen Sinne verstanden. Dem ist jedoch entgegenzutreten. Eigenbedarf ist erst zu verneinen, wenn das Räumungsverlangen rechtsmissbräuchlich ist, z.B. wenn eine vergleichbare Wohnung des Vermieters, die seinen Vorstellungen e...