Rz. 109
Der Vermieter kann Eigenbedarf für sich, zu seinem Hausstand gehörende Personen oder seine Familienangehörigen an dem Mietobjekt geltend machen. Dieses Recht entspringt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, wonach insbesondere die Freiheit, einen Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen, geschützt wird. Hierzu gehört auch die Freiheit, sein Leben durch Gebrauch seines Eigentums so einzurichten, wie man es für richtig hält. Gleichwohl dürften über die Berechtigung von Eigenbedarfskündigungen in der Praxis am häufigsten Kündigungsstreitigkeiten entstehen, was sich auch in der Anzahl der publizierten Entscheidungen, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, ablesen lässt.
Rz. 110
Voraussetzung für das Vorliegen von Eigenbedarf ist, entgegen dem scheinbaren Gesetzeswortlaut, keine Notsituation des Vermieters dergestalt, dass er anderweitig nicht angemessen untergebracht wäre. Vielmehr genügt es, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder den berechtigten Personenkreis hat. Grds. ist dabei der Wunsch des Vermieters, seine Wohnung für sich selbst zu nutzen, zu respektieren. Ein Gericht ist grds. nicht berechtigt, seine Vorstellungen an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters zu setzen.
Rz. 111
Dies gilt insbesondere auch für die Frage, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich und seine Angehörigen als angemessen ansieht. Eine insoweit missverständliche Äußerung des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Gericht zu prüfen habe, ob ein "weit überhöhter" Wohnbedarf geltend gemacht werde, wird von den Mietgerichten oft im gegenteiligen Sinne verstanden. Dem ist jedoch entgegenzutreten. Eigenbedarf ist erst zu verneinen, wenn das Räumungsverlangen rechtsmissbräuchlich ist, z.B. wenn eine vergleichbare Wohnung des Vermieters, die seinen Vorstellungen ebenso entspricht, frei ist. Ebenso reicht zur Begründung von Eigenbedarf der Wusch des Vermieters, die Wohnung als Zweitwohnsitz zu nutzen, aus. Soweit der Vermieter über eine Alternativwohnung verfügt, hat er diese dem Mieter anzubieten. Die Verletzung dieser Anbietpflicht hat jedoch nicht mehr zur Folge, dass die berechtigt ausgesprochene Eigenbedarfskündigung nachträglich rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam wird. Sie zieht lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld nach sich.
Eigenbedarf ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn er erst durch den Erwerb einer vermieteten Wohnung entsteht. Für Eigentumswohnungen bestehen insoweit jedoch besondere Sperrfristen, § 577a BGB.
Ebenfalls durch das Mietrechtsänderungsgesetz wurde § 577a Abs. 1a BGB eingeführt. Die Regelung schafft Vorkehrungen zur Unterbindung des sog. "Münchner Modells": Hierbei erwerben Personengesellschaften ein Miethaus mit dem Ziel, ihren Mitgliedern die Nutzung der Wohnungen zu ermöglichen und die Wohnungen hierzu in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Hierbei wird schon vor Aufteilung des Hauses in Eigentumswohnungen wegen Eigenbedarfs gekündigt, um den Mieterschutz nach der Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung zu umgehen.
Bei der Begründung einer Kündigung wegen geschäftlichen oder beruflichen Bedarfs des Vermieters sind die beiderseitigen Belange der Betroffenen jeweils im Einzelfall abzuwägen. Hier hat der BGH im Urt. v. 29.3.2017 ein abgestuftes Modell anhand der im Gesetz aufgeführten typisierten Regeltatbestände, die eine Kündigung rechtfertigen, entwickelt. Danach muss in Fällen der Mischnutzung dem Vermieter ein beachtenswerter Nachteil entstehen, wird ihm die Eigennutzung verwehrt. In Fällen, in denen er die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte, muss ihm ein Nachteil von einigem Gewicht drohen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Dies setzt voraus, dass der Vermieter andernfalls seine geschäftlichen Tätigkeiten nicht rentabel führen könnte oder seine konkrete Lebensgestaltung die Nutzung der Wohnung für geschäftliche Zwecke erfordert.