Rz. 135
Umstritten war, ob die Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahren auch dann (analog Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV) anfiel, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlossen wurde. Der Gesetzgeber hatte zunächst eine der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entsprechende Regelung in Nr. 3106 VV nicht vorgesehen. Daraus hat ein Teil der Rspr. geschlossen, dass die Terminsgebühr nicht entstehe. Tatsächlich handelte es sich jedoch um ein Versehen des Gesetzgebers, zumal in sozialgerichtlichen Verfahren, die nach dem Gegenstandwert abgerechnet werden, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV schon immer unmittelbar anzuwenden war. Daher wurde von einigen Gerichten zu Recht die Terminsgebühr in analoger Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV angenommen. Mit der Neufassung der Anm. S. 1 Nr. 1 zu 3106 VV durch das 2. KostRMoG ist diese Streitfrage zunächst dahingehend geklärt, dass die Terminsgebühr anfällt, wenn "in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird". Einzelheiten blieben aber nach wie vor umstritten. So wurde zum Teil die Auffassung vertreten, dass eine Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs nur dann entstehen könne, wenn der Vergleich nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossen wurde. Ein lediglich gerichtlich festgestellter Vergleich nach § 202 Abs. 1 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO oder gar einfacher schriftlicher Vergleich sollten dagegen nicht ausreichen, um die Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu 3106 VV auszulösen. Mit der durch das KostRÄG 2021 nochmals geänderten Fassung stellt das Gesetz jetzt klar, dass in allen Fällen, in denen dem Rechtsanwalt eine Einigung herbeiführt, die fiktive Terminsgebühr der Nr. Anm. S. 1 Nr. 1 zu 3106 VV entsteht, sofern im zugrunde liegenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Im Gegensatz zur vorherigen Fassung bedarf es jetzt keines Vergleiches mehr; eine Einigung nach Nr. 1000 VV reicht aus. Zudem ist eine Form nicht mehr vorgeschrieben.
Rz. 136
Eine Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu 3106 VV fällt zum einen an, wenn die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich gegenüber dem Gericht annehmen (Fall des § 101 Abs. 2 S. 1 SGG).
Beispiel 61: Schriftlicher Vergleich nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG
Im gerichtlichen Verfahren erlässt das Gericht einen Beschluss, in dem es einen Vergleich vorschlägt, den beide Parteien annehmen. Zu einem gerichtlichen Termin kommt es daher nicht mehr. Außergerichtliche Besprechungen hatten nicht stattgefunden.
Der Anwalt erhält nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV neben der Verfahrens- und der Einigungsgebühr auch eine Terminsgebühr. Die Höhe der Terminsgebühr beläuft sich auf wiederum auf 90 % der Verfahrensgebühr (Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV) (siehe hierzu Rdn 155 ff.)
Die Einigungsgebühr beläuft sich auf die Höhe der Verfahrensgebühr (Nr. 1006 VV) (siehe hierzu Rdn 165 ff.).
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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360,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV |
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324,00 EUR |
3. |
Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1006 VV |
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360,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.064,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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202,16 EUR |
Gesamt |
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1.266,16 EUR |
Rz. 137
Nach der Neufassung reicht ein nach § 202 Abs. 1 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellter Vergleich aus, um die Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu 3106 VV auszulösen. Die zum Teil frühere gegenteilige Auffassung ist nach dem KostRÄG 2021 nicht mehr vertretbar.
Beispiel 62: Schriftlicher Vergleich nach § 202 Abs. 1 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO
Im gerichtlichen Verfahren bitten die Parteien das Zustandekommen eines zwischen ihnen geschlossenen Vergleichs gem. § 202 Abs. 1 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festzustellen. Das Gericht erlässt daraufhin einen entsprechenden Beschluss.
Der Anwalt erhält nach zutreffender Ansicht auch in diesem Fall nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV neben der Verfahrens- und der Einigungsgebühr eine Terminsgebühr. Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Verfahren.
Rz. 138
Nach der überwiegenden sozialgerichtlichen Rspr. sollte die Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs dann nicht anfallen, wenn das Zustandekommen des Vergleichs weder nach § 101 Abs. 1 S. 2 SGG noch nach §§ 202 Abs. 1 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt worden ist. Diese Auffassung ist – wie bereits ausgeführt – seit dem KostRÄG 2021 nicht mehr vertretbar. Es entsteht auch in diesem Fall eine Terminsgebühr.
Beispiel 63: Außergerichtlicher schriftlicher Vergleich mit der Behörde
Im gerichtlichen Verfahren verlangt der Kläger die Feststellung des GdB in Höhe von 60 % anstelle der bereits anerkannten 40 %. Die Behörde schlägt schriftlich vor, dass man sich vergleichsweise auf einen GdB von 50 % einige, wenn der Kläger seine Klage daraufhin zurücknimmt. Der Anwalt des Klägers stimmt dem Vorschlag schriftl...