Rz. 285

Zum Teil wird auch hier die Auffassung vertreten, die Gebühren seien im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG grundsätzlich geringer anzusetzen, da das einstweilige Anordnungsverfahren eine geringere Bedeutung habe (keine endgültige Klärung) und dass in diesem Verfahren Vorkenntnisse aus dem Hauptsacheverfahren verwertet werden können. Diese pauschale Bemessung ist jedoch unzutreffend. Die einstweilige Anordnung auf Gewährung bestimmter Leistungen kann erhebliche Bedeutung haben, zumal auch hier – wenn auch andere – schwierige Fragen zu klären sein können. Zudem besteht für den Anwalt ein Zeitdruck, der wiederum höhere Gebühren rechtfertigt.[62]

 

Rz. 286

In den nachfolgenden Berechnungen wird grundsätzlich von der Mittelgebühr ausgegangen. Soweit im Einzelfall höhere oder niedrigere Gebühren angemessen sind, hat dies nur Auswirkungen auf die Höhe der Beträge. An den abgerechneten Gebührentatbeständen ändert sich nichts.

 

Beispiel 156: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren

Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Über den Antrag wird ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Es entsteht nur die Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV   360,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 380,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   72,20 EUR
Gesamt   452,20 EUR
 

Rz. 287

 

Beispiel 157: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit gerichtlichem Termin

Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Nach mündlicher Verhandlung ergeht die beantragte Anordnung.

Es entsteht neben der Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV jetzt auch die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV).

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV   360,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV   335,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 715,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   135,85 EUR
Gesamt   850,85 EUR
 

Rz. 288

 

Beispiel 158: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit Besprechung

Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Er führt mit dem Sachbearbeiter der Behörde eine Besprechung, allerdings ohne Ergebnis.

Auch jetzt entsteht neben der Verfahrensgebühr der Nr. 3102 VV auch die Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV). Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel.

 

Rz. 289

Dagegen fällt eine Terminsgebühr im einstweiligen Anordnungsverfahren weder bei einem angenommenen Anerkenntnis noch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs an.

 

Beispiel 159: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit angenommenem Anerkenntnis

Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Die Behörde erkennt den vorläufigen Anspruch an; der Anwalt erklärt die Annahme.

Da nach dem eindeutigen Wortlaut der Anm. S. 1 zu Nr. 3106 VV ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung erforderlich ist und im einsteiligen Anordnungsverfahren eine solche nicht vorgeschrieben ist (§ 124 Abs. 3 SGG i.V.m. § 86b Abs. 4 SGG), kann eine Terminsgebühr nach Anm. S. 1 Nr. 3 zu Nr. 3106 VV nicht entstehen.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV   360,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 380,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   72,20 EUR
Gesamt   452,20 EUR
 

Rz. 290

 

Beispiel 160: Erstmalige Tätigkeit im einstweiligen Anordnungsverfahren mit schriftlichem Vergleich

Der Anwalt wird erstmals im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Auf Vorschlag des Gerichts wird zur Erledigung des vorläufigen Anspruchs ein Vergleich geschlossen.

Auch hier kann eine Terminsgebühr nicht anfallen. Allerdings entsteht jetzt eine Einigungsgebühr.

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV   360,00 EUR
2. Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1006 VV   360,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 740,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   140,60 EUR
Gesamt   880,60 EUR
 

Rz. 291

Wird der Anwalt im einstweiligen Anordnungsverfahren und im Hauptsacheverfahren tätig, entsteht die Vergütung gesondert (§ 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG).

 

Beispiel 161: Tätigkeit in der Hauptsache und im einstweiligen Anordnungsverfahren

Der Anwalt wird nach Erlass des Widerspruchsbescheids mit der Anfechtungsklage und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beauftragt. Über die einstweilige Anordnung wird ohne mündliche Verhandlung entschieden. In der Hauptsache wird verhandelt.

Es liegen zwei verschiedene Gebührenangelegenheiten vor (§ 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG). In jedem Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV; in der Hauptsache entsteht daneben noch eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV.

 
I. Hauptsacheverfahren
1. Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV   360,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 3106 VV   335,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 715,00 EUR  

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?