Rz. 250

Jeder anspruchsberechtigte Arbeitnehmer hat auf sein Verlangen hin gem. § 109 Abs. 1 S. 1 GewO "bei" Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses, und zwar je nach seinem Wunsch auf Ausstellung eines einfachen oder qualifizierten Zeugnisses. Für Auszubildende gilt § 16 BBiG bei Beendigung der Ausbildung. Auch Praktikanten und Volontäre können gem. § 26 BBiG i.V.m. § 16 BBiG ein qualifiziertes Zeugnis verlangen.

1. Zeitpunkt der Zeugniserteilung

 

Rz. 251

Der Arbeitgeber ist auf Anforderung des Arbeitnehmers verpflichtet, spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist oder bei seinem tatsächlichen Ausscheiden ein schriftliches Zeugnis (Schlusszeugnis) über das Arbeitsverhältnis und dessen Dauer zu erteilen ("einfaches Zeugnis"). Das Zwischenzeugnis ist eine Beurteilung des Arbeitnehmers bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis. Die Voraussetzungen, unter denen ein Zwischenzeugnis verlangt werden kann, sind noch weitgehend ungeklärt. Das Schluss- oder Zwischenzeugnis muss auf Verlangen auch auf die Beurteilung der Leistungen und auf die Führung im Dienste erstreckt werden (Berscheid, WPrax Heft 17/1994, 5 ff.) und wird somit zum "qualifizierten Zeugnis".

 

Rz. 252

Der Anspruch auf Erteilung eines Schlusszeugnisses (bzw. schlicht als "Zeugnis" genannt und als solches bezeichnet) kann nicht erst "nach" Beendigung oder gar Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, sondern schon "bei der Beendigung" des Arbeitsverhältnisses (§ 109 Abs. 1 S. 1 GewO), also "im Zuge" seiner Auflösung geltend gemacht werden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, während der Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer auf Wunsch ein Zwischenzeugnis zu erteilen, jedoch kann der Arbeitnehmer wahlweise statt eines Zwischenzeugnisses schon das Schlusszeugnis verlangen, denn der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht bereits fest. Der Arbeitnehmer kann das Schlusszeugnis daher "aus Anlass" der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses fordern (BAG v. 23.2.1983, AP Nr. 10 zu § 70 BAT = EzA § 70 BAT Nr. 15).

 

Rz. 253

Ein fristgerecht entlassener Arbeitnehmer hat spätestens mit der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein Schlusszeugnis, selbst wenn wegen eines schwebenden Kündigungsschutzprozesses der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offen ist (LAG Nürnberg v. 26.9.1985, ARST 1986, 187; BAG v. 27.2.1987, AP Nr. 16 zu § 630 BGB m. Anm. van Venrooy = EzA § 630 BGB Nr. 11), denn er ist gehalten, sich um eine neue Beschäftigung zu bemühen. Diesen Zweck kann nach tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur ein Zeugnis erfüllen, das sich ausführlich über Führung und Leistung äußert. Ein "Zwischenzeugnis" erschwert dem Bewerber nach Ablauf der Kündigungsfrist die Suche nach einer neuen Tätigkeit. Kann er nämlich nach längerem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nur ein Zwischenzeugnis vorlegen, muss ein künftiger Arbeitgeber daraus zwangsläufig schließen, dass noch Auseinandersetzungen wegen des alten Arbeitsverhältnisses bestehen. Verlangt ein gekündigter Arbeitnehmer ein (Schluss-) Zeugnis, so darf dieses nicht als "vorläufiges" bezeichnet werden, da auch dies den Rückschluss zulässt, zwischen den Parteien schwebe noch ein Kündigungsschutzprozess (Berscheid, WPrax Heft 18/1994, 6, 8).

 

Rz. 254

Gewinnt der Arbeitnehmer den Kündigungsschutzprozess und wird er vom Arbeitgeber weiterbeschäftigt, braucht er das erteilte Zeugnis nicht zurückzugeben. Die Gründe seiner Erteilung, nämlich Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Bewerbung um einen anderen Arbeitsplatz, sind zwar weggefallen, aber es sind keine Interessen des Arbeitgebers an der Rückgabe ersichtlich, sodass das (Schluss-) Zeugnis als Zwischenzeugnis anzusehen ist.

2. Verjährung, Verfall und Verwirkung des Zeugnisanspruchs

 

Rz. 255

Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses verjährt gem. § 195 BGB in drei Jahren nach Fälligkeit.

 

Rz. 256

Inwieweit der Anspruch auf Ausstellung oder Berichtigung eines Zeugnisses tariflichen oder vertraglichen Ausschlussfristen unterfällt, ist umstritten. Zum Teil wird angenommen, dass tarifliche Verfallfristen nur die kurzfristige Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bezwecken, nicht aber unabdingbare Ansprüche beschneiden wollen (ArbG Siegen v. 30.5.1980, EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 43 = ARST 1980, 192; ArbG Siegen v. 26.9.1989 – 1 Ca 221/89, n.v.; LAG Hamm v. 2.5.1991 – 4/18 Sa 1389/90, n.v.; LAG Hamm v. 21.12.1993 – 4 Sa 1123/93, n.v.). Das BAG geht demgegenüber mit der überwiegenden Instanzrechtsprechung davon aus, dass tarifliche Verfallklauseln auch den Anspruch auf Zeugniserteilung als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis erfassen (vgl. BAG v. 4.12.1985 – 5 AZR 607/84, BAGE 42, 41; BAG v. 4.10.2005 – 9 AZR 507/04, juris). Auch vertragliche Verfallklauseln erfassen den Anspruch, sofern alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, ausgeschlossen werden (vgl. LAG Hamm v. 10.4.2002 – 3 1598/01, NZA-RR 2003, 463).

 

Rz. 257

Für die Verwirkung des Anspruchs auf Erteilung eines Zeugnisses gelten im Übrigen die allgemeinen Grundsätze...

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