Rz. 133
§ 442 BGB, nach dem Ansprüche des Käufers ausgeschlossen sind, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt, wird in Unternehmenskaufverträgen, jedenfalls ab einer gewissen Größe, regelmäßig abbedungen und durch ein zu vereinbarendes System ersetzt (siehe Rdn 83, 125 und 125).
Auf die damit einhergehende grundsätzliche Frage, ob und inwieweit der Erwerber beim Unternehmenskauf verpflichtet ist, eine den Regeln der Kunst entsprechende Due Diligence durchzuführen, um seine Gewährleistungsansprüche nicht von vornherein zu verlieren, braucht daher aus praktischer Sicht nicht eingegangen werden (bzw. spielt nur im Innenverhältnis zwischen Organ und Käufergesellschaft eine Rolle). Gerade bei professionellen Unternehmenserwerbern, zum Beispiel Finanzinvestoren, dürfte die Durchführung einer sorgfältigen Due Diligence wohl als Verkehrssitte anzusehen sein, weil externe Finanzierer diese eigentlich per se verlangen. Hier stellt sich die Frage schon deswegen nicht, weil der Verkäufer einen Datenraum aus eigenem Interesse zur Verfügung stellen wird und seine Haftung im Unternehmenskaufvertrag dann auch entsprechend begrenzt. Der Erwerber wird daher mehr oder weniger dazu gezwungen, eine Due Diligence durchzuführen. Beim Erwerb von Kleinunternehmen oder freiberuflichen Praxen ist die Situation aber sicherlich anders zu beurteilen.
Rz. 134
Im Rahmen des Garantienkataloges wird häufig auch vom Verkäufer zugesichert, dass der Datenraum alle für die Beurteilung des Unternehmens erforderlichen Unterlagen enthielt, diese richtig und nicht irreführend sind. Für den Verkäufer besteht daneben grundsätzlich keine Verpflichtung, sämtliche für die vollständige Beurteilung der Situation des Unternehmens maßgeblichen Umstände von sich aus offen zu legen. Allerdings ist eine Aufklärungspflicht nach Treu und Glauben aber unabhängig von expliziten Zusicherungen anzunehmen, wenn eine Aufklärung vom Verkäufer erwartet werden darf. Dies ist nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn es um Umstände geht, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den Vertragspartner (möglichen Erwerber) von wesentlicher Bedeutung sind. Der BGH hat insoweit bereits mit Urteil vom 4.4.2001 entschieden, dass dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht aufzuerlegen ist, wenn Umstände betroffen sind, die die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens ernsthaft gefährden, insbesondere also eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Zudem trifft den Verkäufer die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Kausalität der unterbliebenen Aufklärung. Versäumt er es, den Erwerber auch nur über einen aufklärungsbedürftigen Umstand in Kenntnis zu setzen, unterstellt der BGH eine Kausalität gerade dieser unterbliebenen Aufklärung.
Rz. 135
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Verkäufer seine Aufklärungspflicht bereits durch die Zurverfügungstellung sämtlicher Unterlagen zur Durchführung einer Due Diligence erfüllt. Dies dürfte jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn die zur Verfügung gestellte Dokumentation so umfangreich ist, dass bei ordnungsgemäßer Durchführung der DD die maßgeblichen Umstände (und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen) nicht verborgen bleiben konnten. Dies gilt jedoch nach einem aktuellen Urteil des OLG München nicht, wenn es sich um "gewichtige Anzeichen für eine anhaltende Krise der Gesellschaft handelt (erhebliche Zahlungsrückstände, mehrfache Mahnungen und Liquiditätsengpässe)"; diese sind ungefragt zu offenbaren, auch wenn sich aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen für den versierten Käufer das Gegenteil ergibt.