I. Überblick
Rz. 1
Zum 3.12.2011 ist das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011 in Kraft getreten. Gleichzeitig sind für die neu eingeführten Verfahren auch zum Teil neue Gebührentatbestände im RVG geschaffen worden.
Rz. 2
Richtet sich das Verfahren gegen ein Land, ist in erster Instanz in der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen, Familiensachen, Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Straf- und Bußgeldsachen) ausschließlich das OLG zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde (§ 201 Abs. 1 S. 1 GVG). Die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden (§ 201 Abs. 2 S. 1 GVG). Gegen die Entscheidung des OLG ist die Revision zum BGH gegeben (§ 201 Abs. 2 S. 2 GVG).
Rz. 3
Soweit sich das Verfahren gegen den Bund richtet, ist der BGH erstinstanzlich zuständig (§ 201 Abs. 1 S. 2 GVG). Ein Rechtsmittel gibt es in diesem Fall nicht.
Rz. 4
In anderen Gerichtsbarkeiten sind die Vorschriften entsprechend anzuwenden:
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In der Arbeitsgerichtsbarkeit gilt § 9 Abs. 2 ArbGG. Erstinstanzlich sind die Landesarbeitsgerichte zuständig, wenn das streitgegenständliche Verfahren vor einem Gericht ihres Gerichtsbezirks durchgeführt wurde. Revisionsgericht ist dann das BAG. Richtet sich das Verfahren gegen den Bund, ist das BAG erst- und letztinstanzlich zuständig. Anstelle der ZPO gilt das ArbGG. |
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In Verwaltungssachen gilt § 173 S. 2 VwGO. Erstinstanzlich sind die Oberverwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtshöfe) zuständig, wenn das streitgegenständliche Verfahren vor einem Gericht ihres Gerichtsbezirks durchgeführt wurde. Revisionsgericht ist dann das BVerwG. Richtet sich das Verfahren gegen den Bund, ist das BVerwG erst- und letztinstanzlich zuständig. Anstelle der ZPO gilt die VwGO. |
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In Sozialsachen gilt § 202 S. 2 SGG. Erstinstanzlich sind die Landessozialgerichte zuständig, wenn das streitgegenständliche Verfahren vor einem Gericht ihres Gerichtsbezirks durchgeführt wurde. Revisionsgericht ist dann das BSG. Richtet sich das Verfahren gegen den Bund, ist das BSG erst- und letztinstanzlich zuständig. Anstelle der ZPO gilt das SGG. |
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In finanzgerichtlichen Verfahren gilt § 155 S. 2 FGO. Erst- und letztinstanzlich zuständig ist immer der BFH erstinstanzlich zuständig. Anstelle der ZPO gilt die FGO. Entsprechend anzuwenden sind die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. |
Rz. 5
Die Gebühren werden immer nach dem Wert der anwaltlichen Tätigkeit erhoben (§ 2 Abs. 1 RVG). Dies gilt auch in sozialgerichtlichen Verfahren – selbst dann, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört und an sich gem. § 3 Abs. 1 S. 2 RVG nach Rahmengebühren abzurechnen wäre (§ 3 Abs. 1 S. 3 RVG).
II. Vorgerichtliche Tätigkeit
Rz. 6
Werden Entschädigungsansprüche nach § 198 Abs. 2 GVG zunächst außergerichtlich geltend gemacht, richtet sich die Vergütung nach Teil 2 VV. Der Anwalt erhält eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Hinzukommen kann eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV in Höhe von 1,5. Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV ist nicht möglich, da es sich nicht um ein Verwaltungsverfahren handelt (zur Abrechnung siehe § 8 Rdn 10 ff.).
III. Erstinstanzliche Verfahren
1. Überblick
Rz. 7
Kommt es zu einem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren nach § 201 GVG, richtet sich die Vergütung nach Teil 3 VV. Für die Gebühren ist maßgebend, vor welchem Gericht die Klage eingereicht wird.
2. Erstinstanzliche Verfahren
a) Verfahrensgebühr
aa) Erstinstanzliche Verfahren vor einem OLG, LAG, OVG/VGH oder LSG sowie vor einem obersten Gerichtshof des Bundes
Rz. 8
Obwohl es sich um erstinstanzliche Verfahren handelt, richtet sich die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV) nicht nach Teil 3 Abschnitt 1 VV (also nach den Nrn. 3100 ff. VV). Die Verfahrensgebühr richtet sich vielmehr nach Nr. 3300 Nr. 3 VV. Für die Verfahren vor einem OVG/VGH oder LSG ist diese Regelung an sich überflüssig, weil sich die Anwendbarkeit der Nr. 3300 VV bereits aus deren Nr. 2 ergibt.
Rz. 9
Der Anwalt verdient danach erstinstanzlich eine 1,6-Verfahrensgebühr, die sich nach Nr. 3301 VV im Falle der vorzeitigen Beendigung unter den Voraussetzungen der Anm. Abs. 2 zu Nr. 3201 VV auf 1,0 ermäßigt.
Rz. 10
Eine Erhöhung der erstinstanzlichen Verfahrensgebühr in Verfahren vor dem BGH kommt nicht in Betracht, da eine den Nrn. 3208, 3209 VV vergleichbare Regelung fehlt.
Rz. 11
Soweit der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, die denselben Entschädigungsanspruch geltend machen, erhöht sich die Verfahrensgebühr um 0,3 je weiteren Auftraggeber (Nr. 1008 VV).
Rz. 12
War der Anwalt zunächst außergerichtlich tätig und hatte er dort eine Geschäftsgebühr verdient (siehe oben Rdn 6), so ist diese Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig, höchstens zu 0,75, auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
bb) Erstinstanzliche Verfahren vor dem FG
Rz. 13
Für die erstinstanzlichen Verfahren vor den Finanzgerichten bedurfte es keiner gesonderten Regelung, da diese erstinstanzlich ohnehin schon mit einem Gebührensatz von 1,6 abgerechnet werden (Vorbem. 3.2.1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 3200 VV).
b) Terminsgebühr
aa) Erstinstanzliche Verfahren vor einem OLG, LAG, OVG/VGH oder LSG sowie vor einem obersten Gerichtshof des Bundes
Rz. 14
Die Terminsgebühr ist nicht ...