Rz. 17
Bislang war gemäß § 9 Abs. 1 SGB II hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Eigene Kräfte und Mittel waren vor allem die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) und das zu berücksichtigende Einkommen und/oder Vermögen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB II). Mit Wirkung zum 1.1.2011 wurde das Kriterium der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit aus dem Begriff der Hilfebedürftigkeit herausgenommen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung klarstellen, dass Hilfebedürftigkeit nur dann vorliegt, wenn das vorhandene, zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreicht.
§ 9 Abs. 4 SGB II stellt klar, dass auch derjenige hilfebedürftig ist, der zwar über berücksichtigungsfähiges Vermögen verfügt, dessen sofortiger Verbrauch oder sofortige Verwertung aber nicht möglich ist oder eine besondere Härte bedeuten würde. In einem solchen Fall werden die Leistungen als Darlehen erbracht, § 24 Abs. 5 SGB II.
1. Ermittlung des Grundsicherungsbedarfs
Rz. 18
Die Beurteilung, ob der erwerbsfähige Leistungsberechtigte und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln sichern bzw. erforderliche Hilfe durch Dritte erhalten können oder nicht, setzt zunächst die Ermittlung ihres Grundsicherungsbedarfs voraus.
Rz. 19
Der Grundsicherungsbedarf richtet sich grundsätzlich nicht nach dem individuellen Bedarf im Hinblick auf den früheren Lebensstandard, sondern umfasst nur das "soziokulturelle Existenzminimum" und ist im Umkehrschluss zum Inhalt des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II nach §§ 19 ff. SGB II zu bestimmen. Der Grundsicherungsbedarf besteht also je nach Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 19 ff. SGB II im Wesentlichen in dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II), den Leistungen für Mehrbedarfe (§ 21 SGB II), den Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II). Auf die einzelnen Leistungen wird beim Inhalt des Anspruchs näher eingegangen (siehe Rdn 39 ff.). Das Bürgergeld umfasst, wie bis zum 31.12.22 das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Die auf der Grundlage des SGB II gewährten existenzsichernden Leistungen werden nun zum Bürgergeld (§ 19 SGB II).
Rz. 20
Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig; dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 SGB II außer Betracht (§ 9 Abs. 2 S. 3 SGB II).
2. Zu berücksichtigendes Einkommen und/oder Vermögen
Rz. 21
In einem zweiten Schritt ist zu ermitteln, ob der für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ermittelte Grundsicherungsbedarf durch den Einsatz des zu berücksichtigenden Einkommens und/oder Vermögens gedeckt wird.
Rz. 22
Den Grundsicherungsbedarf deckendes Einkommen und/oder Vermögen schließt Hilfsbedürftigkeit und damit den Bezug von Arbeitslosengeld II aus. Soweit das zu berücksichtigende Einkommen und/oder Vermögen den Grundsicherungsbedarf nicht deckt, mindert es die Geldleistungen der zuständigen Träger (§ 19 Abs. 3 S. 1 SGB II).
Rz. 23
Wessen Einkommen und Vermögen neben dem eigenen zu berücksichtigen ist, richtet sich nach § 9 Abs. 2, 3 SGB II. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 S. 2 SGB II), es sei denn, dass das Kind schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut (§ 9 Abs. 3 SGB II).
Rz. 24
In welchem Umfang Einkommen und/oder Vermögen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sind, bestimmt sich nach §§ 9 Abs. 4, 11, 12 SGB II. § 11a SGB II regelt, welches Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, und § 11b SGB II regelt die Absetzbeträge vom Einkommen. Die Regelung des § 11b Abs. 3 SGB II integriert dabei die bisherige Freibetragsregelung des § 30 SGB II a.F. Diese Normen werden ergänzt durch die Alg II-V.