Rz. 8

Entsprechend der im Verhältnis der Ehegatten untereinander geltenden Regelung des § 1359 BGB ist auch für die Haftung der Eltern bei Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber der Haftungsmaßstab grundsätzlich verändert. Nach § 1664 Abs. 1 BGB haben die Eltern bei Pflichtverletzungen für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Inhaltlich wird damit auf § 277 BGB verwiesen. Wenn demnach auch derjenige, der nur für die "Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten" verantwortlich ist, von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit ist, kann daraus andererseits nicht gefolgert werden, eine Einstandspflicht bestehe nur bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Vielmehr kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an, nämlich darauf, welche Sorgfalt der betreffende Schädiger, hier also die konkreten Eltern, bei Wahrung ihrer eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Häufig wird es nahe liegen, dass Eltern auch bei Besorgung ihrer eigenen Dinge mit "normaler" Sorgfalt vorgehen, grobe Fahrlässigkeit hingegen zu vermeiden trachten; dann schulden sie den Kindern die gleiche Sorgfalt. Im Streitfall ist es Sache der Eltern, darzulegen und nachzuweisen, dass sie sich in eigenen Angelegenheiten nicht sorgfältiger verhalten, als sie es im Schadensfall gegenüber dem Kind getan haben (vgl. hierzu auch die Überlegungen zu § 1359 BGB, § 33 Rdn 6 ff.).

 

Rz. 9

Wichtig ist, dass es bei § 277 BGB nicht – wie bei § 276 BGB – um die Anwendung des objektiven, sondern um die des subjektiven Sorgfaltsmaßstabs geht.[8] Insoweit kommt es auf die persönlichen Vorstellungen der Eltern über das erforderliche Maß an Aufsicht und damit der eigenüblichen Sorgfalt an. Der gesetzlich angeordnete mildere Haftungsmaßstab besteht nicht erst dann, wenn nachgewiesen ist, dass die Eltern auch in ihren ureigenen Angelegenheiten sorglos und unüberlegt handeln. Entscheidend für die Frage ihrer Haftung gegenüber ihrem Kind sollte sein, ob das zum Unfall führende Fehlverhalten der Eltern einerseits nach ihren persönlichen Vorstellungen noch verantwortbar war, andererseits aber auch den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit noch nicht erfüllt hat.[9]

 

Rz. 10

Wie weit die Haftungsprivilegierung des § 1664 Abs. 1 BGB reicht, ist umstritten. Sie kann jedenfalls nur dort Anwendung finden, wo es um die Verletzung des Sorgerechts als Bestandteil der familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kind geht. Daraus folgt, dass § 1664 Abs. 1 BGB nicht herangezogen werden kann, soweit die Abwicklung besonderer vertraglicher Beziehungen zwischen Eltern und Kind in Rede steht; im Rahmen derartiger Vertragsverhältnisse (etwa betreffend die Ausbildung des Kindes im elterlichen Betrieb etc.) gelten die allgemeinen Haftungsmaßstäbe.

 

Rz. 11

Hingegen kann die Haftungsprivilegierung des § 1664 Abs. 1 BGB grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn die Eltern dem Kind gegenüber eine unerlaubte Handlung begehen, die im Zusammenhang mit der Ausübung der elterlichen Sorge steht. Das Haftungsprivileg des § 1664 BGB findet auch Anwendung, wenn die Pflichtverletzung der Eltern in einer Verletzung ihrer Aufsichtspflicht liegt. Dies wird inzwischen auch überwiegend in Rechtsprechung und Literatur so gesehen.[10] Es ist nicht ersichtlich, wieso das Gesetz in § 1664 BGB eine Haftungsmilderung für die Ausübung der elterlichen Sorge anordnen sollte, um dann einen zentralen Bereich dieser Sorge, nämlich die Aufsichtspflicht, davon auszunehmen, ohne dies ausdrücklich anzuordnen. Die Regelung des § 1664 BGB liefe weitgehend leer, wenn sie nicht auch auf (mit der elterlichen Sorge in innerem Zusammenhang stehende) unerlaubte Handlungen Anwendung fände; auch wird der innerfamiliäre Friede, den die Vorschrift schützen will, durch den Streit über deliktische Ansprüche in gleicher Weise gestört wie durch den Streit über Ansprüche, die sich auf § 1664 BGB als Anspruchsgrundlage stützen.[11]

 

Rz. 12

Deshalb haften Eltern ihrem Kind nicht, wenn sie dieses nicht als Kraftfahrer unter Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften schädigen, sondern wenn es wegen des leicht fahrlässigen Verhaltens eines Elternteils bei der Beaufsichtigung des Kindes zu einem (Verkehrs-) Unfall kommt, bei dem das Kind geschädigt wird.[12] Der Vorwurf eines zur Haftung führenden Verhaltens der Eltern wird insbesondere in Fällen erhoben, in denen das Kind einen dritten Verkehrsteilnehmer auf vollen Schadensausgleich in Anspruch nimmt und dieser bzw. sein Versicherer Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB verlangt. Falls (auch) die Eltern dem Kind wegen des Schadensfalls haften, besteht zwischen ihnen und dem dritten Schädiger ein Gesamtschuldverhältnis (§ 840 Abs. 1 BGB). Hier besteht bei übertriebenen Anforderungen der Gerichte an den Maßstab der §§ 277, 1664 BGB eine gefährliche, nach herrschender Meinung nicht haftpflichtversicherte Haftungsfalle für die Eltern (dazu schon oben Rdn 2).

 

Rz. 13

Nicht angewendet werden kann das Haftungsprivileg des § 1664 Abs. 1 BGB a...

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