Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 204
Nichtbeförderung bedeutet die Weigerung, den Fluggast zu befördern, obschon er sich rechtzeitig am Flugsteig eingefunden hat, ohne dass vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, Art. 2 lit. j Fluggastrechte-VO. Hiermit sind nicht nur die Fälle der klassischen Überbuchung gemeint (es finden sich mehr Fluggäste am Abflugschalter ein, als das Flugzeug Plätze hat), sondern alle Fälle, in denen der Fluggast gegen seinen Willen den gebuchten Flug nicht nutzen kann.
Rz. 205
Der Fluggast muss sich zu dem im Ticket angegebenen Zeitpunkt, ohne Angabe spätestens 45 Minuten vor Abflug, am Flugschalter einfinden, Art. 3 Abs. 2 Fluggastrechte-VO. Der Fluggast darf sich nicht einfach in eine lange Warteschlange einreihen, sondern muss sich bemerkbar machen, wenn er Ansprüche wegen der Nichtbeförderung geltend machen will. Eine Nichtbeförderung liegt auch vor, wenn die Fluggesellschaft wegen einer vermeintlichen Verspätung des Zubringerflugs den Flug eigenmächtig umbucht. Bei Anschlussflügen muss der Passagier nicht 45 Minuten vor Abflug am Flugschalter sein; eine verspätete Gepäckumladung erlaubt ebenfalls keine Umbuchung, so dass von einer Nichtbeförderung auszugehen ist. Erreicht indes der Fluggast den Anschlussflug nicht mehr, so liegt kein Fall der Nichtbeförderung vor. Allenfalls kann (nicht aber muss!) eine Verspätung vorliegen, die je nach Einordnung des Flugs Ausgleichsansprüche begründen kann (nicht aber muss!). Auch eine durch das Luftfahrtunternehmen ohne Willen des Fluggastes durchgeführte Umbuchung, wird der ursprünglich gebuchte Flug durchgeführt, ist eine Nichtbeförderung, auch im Rahmen einer Pauschalreise. Der Gast muss sich dann auch nicht für den ursprünglich gebuchten Flug am Flughafen einfinden. Wird der ursprünglich gebuchte Flug gestrichen, liegt keine Nichtbeförderung, sondern eine Annullierung vor (siehe dazu Rdn 208). Schließlich liegt auch ein Fall der Nichtbeförderung vor, wenn die Fluggesellschaft den Transport verweigert, weil aufgrund eines verpassten Hinflugs auch der Rückflug für den Fluggast gestrichen wurde.
Rz. 206
Bereits tatbestandlich liegt eine "Nichtbeförderung" nicht vor, wenn "vertretbare Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind", Art. 2 lit. j Fluggastrechte-VO. "Vertretbar" ist hierbei nicht im Sinne eines Verschuldens zu verstehen, sondern als "vernünftig", "akzeptabel" oder auch ausgehend vom englischen Text ("reasonable") als "angemessen". Letztlich wird hiermit klar, dass es sich um in der Person des Fluggastes liegende Gründe handeln muss, nicht aber um solche aus der Sphäre des Luftfahrtunternehmens. Vertretbare Gründe können daher die Nichteinhaltung von Visa- oder Impfvorschriften, Weigerung des Fluggastes, sich an Verhaltensregeln an Bord oder beim Check-In zu halten, Trunkenheit oder körperliche Verfassung sein. Vertretbar ist die Nichtbeförderung auch, wenn Fluggäste bei einem Rail&Fly-Ticket entgegen den Vorgaben der Luftfahrtgesellschaft (oder des Pauschalreiseveranstalters) nicht rechtzeitig die Bahnreise antreten und deswegen verspätet am Abflughafen eintreffen. Das Luftfahrtunternehmen trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Vertretbarkeit der Nichtbeförderung.
Rz. 207
Der Fluggast hat bei Nichtbeförderung Anspruch auf:
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Ausgleichsleistungen nach Art. 7 Fluggastrechte-VO (siehe Rdn 213); |
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Unterstützungs- und Betreuungsleistungen nach Art. 9 Fluggastrechte-VO (siehe Rdn 217). |