Prof. Dr. Hans Josef Vogel
Rz. 214
Ausgleichsansprüche, gleich ob wegen Annullierung oder Verspätung, sind nicht zu leisten, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweist, dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechte-VO). Die Frage ist Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen gewesen; diese auch nur annährend darzustellen, würde den Umfang dieses Beitrags sprengen. Wichtig bleibt: Die Vorschrift ist eine Ausnahmevorschrift und wird daher eng auszulegen sein.
Rz. 215
Die Fluggastrechte-VO enthält keine Definition der außergewöhnlichen, unvermeidbaren Umstände, die Auslegungshinweise in den Erwägungsgründen 12 bis 14 sind aber hilfreich. Zusammengefasst gibt es zwei Voraussetzungen:
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Das Ereignis darf nicht Teil der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens sein. |
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Das Ereignis darf nicht durch zumutbare Maßnahmen verhinderbar sein. |
Erforderlich ist also zunächst ein Ereignis, das nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist, d.h. ein Ereignis, das aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragt. Weiterhin darf das Ereignis nicht beherrschbar sein; Beherrschbarkeit meint hier den Verantwortungsbereich, ob also der betreffende Vorgang in den betrieblichen Ablauf der Fluggesellschaft zählt oder auch "mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs untrennbar verbunden ist". Weiterhin muss das Luftfahrtunternehmen aufzeigen, dass es alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die Annullierung/Verspätung zu verhindern. Zumutbarkeit bedeutet nicht Schutz vor jedweder denkbaren Beeinträchtigung, sondern ein Maß an Vorsorge, das es einem Unternehmen erlaubt, bei geringfügigen Störungen den Betrieb aufrechtzuerhalten und bei größeren Störungen alle ihm zu Gebote stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um Annullierungen/Verspätungen zu verhindern, ohne gezwungen zu sein, stets durch Vorhaltung weiterer Kapazitäten Störungen abzufangen. All dies muss zudem wirtschaftlich tragbar sein.
Rz. 216
Das Luftfahrtunternehmen ist darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der Umstände, die zur Annullierung/Verspätung geführt haben, welche konkreten Auswirkungen sich hieraus ergaben und welche zumutbaren Möglichkeiten zur Folgenverhinderung zur Verfügung standen. Keinesfalls reicht bloßer allgemeiner Vortrag ("Schneefall", "Überlastung Luftraum") aus.