Rz. 143
Auch im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren kann es zu Verbindungen und Trennungen kommen. Es gilt vom Prinzip her das gleiche wie im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde (vgl. Rdn 76 ff.). Der Verteidiger erhält bis zur Verbindung alle Gebühren gesondert, also auch jeweils eine gesonderte Grundgebühr. Nach Verbindung können die Gebühren nur einmal entstehen. Sie können nach der Verbindung gegebenenfalls aus einem höheren Gebührenrahmen zu entnehmen oder nach § 14 Abs. 1 RVG höher anzusetzen sein.
Rz. 144
Wird der Anwalt erst nach Verbindung beauftragt, dann entstehen die Gebühren für ihn nur einmal. Abzurechnen ist dann wie in einem normalen Verfahren, gegebenenfalls mit höheren Gebühren.
Rz. 145
Ist der Anwalt vor Verbindung nur in einem Verfahren tätig und verteidigt er nach Verbindung gegen den Gesamtvorwurf, bleibt es ebenfalls nur bei einer Angelegenheit. Allerdings ist jetzt der Gebührenrahmen der gesamten drohenden Bußgelder maßgebend. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, nach der Verbindung gem. § 14 Abs. 1 RVG höhere Gebühren anzusetzen.
Beispiel 70: Verbindung zweier Bußgeldverfahren vor der Hauptverhandlung
Gegen den Auftraggeber sind zwei gesonderte Bußgeldverfahren (Az. 1/22 und 2/22) wegen zwei verschiedener Taten eingeleitet worden (30,00 EUR + 40,00 EUR). Gegen die Bußgeldbescheide wird Einspruch eingelegt. Vor der Hauptverhandlung werden die Verfahren verbunden. Führend ist das Verfahren 2/22. Anschließend wird die Hauptverhandlung durchgeführt.
In den beiden Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erhält der Anwalt die Gebühren gesondert, auch die Grundgebühr (siehe Rdn 12, 76 ff.). Da sich die Bußgeldandrohung jeweils auf ein Bußgeld unter 60,00 EUR belief, entstand jeweils nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 5101 VV.
Im gerichtlichen Verfahren hat der Anwalt die Gebühren zunächst wiederum getrennt verdient, und zwar die Verfahrensgebühren nach Nr. 5107 VV. Mit der Verbindung erhöhte sich das drohende bzw. verhängte Bußgeld im Verfahren 2/22 auf 70,00 EUR und damit auf über 60,00 EUR, sodass diese Verfahrensgebühr sich auf eine Gebühr nach Nr. 5109 VV erhöhte.
Die Terminsgebühr bemisst sich nach Nr. 5108 VV, da die Hauptverhandlung ein Bußgeld von über 60,00 EUR betraf.
I. | Verfahren 1/22 | ||
a) | Verfahren vor der Verwaltungsbehörde | ||
1. | Grundgebühr, Nr. 5100 VV | 110,00 EUR | |
2. | Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV | 71,50 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 201,50 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 38,29 EUR | |
Gesamt | 239,79 EUR | ||
b) | Verfahren vor dem Amtsgericht | ||
1. | Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV | 71,50 EUR | |
2. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 14,30 EUR | |
Zwischensumme | 85,80 EUR | ||
3. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 16,30 EUR | |
Gesamt | 102,10 EUR | ||
II. | Verfahren 2/22 | ||
a) | Verfahren vor der Verwaltungsbehörde | ||
Wie I. a). | |||
b) | Verfahren vor dem Amtsgericht | ||
1. | Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV | 176,00 EUR | |
2. | Terminsgebühr, Nr. 5110 VV | 280,50 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 476,50 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 90,54 EUR | |
Gesamt | 567,04 EUR |
Rz. 146
Beispiel 71: Verbindung zweier Bußgeldverfahren nach der Hauptverhandlung
Gegen den Auftraggeber sind zwei gesonderte Bußgeldverfahren (Az. 1/22 und 2/22) wegen zwei verschiedener Taten eingeleitet worden (30,00 EUR + 40,00 EUR). Gegen die Bußgeldbescheide wird Einspruch eingelegt. In beiden Verfahren wird die Hauptverhandlung durchgeführt und anschließend ausgesetzt. Hiernach werden die Verfahren verbunden. Führend ist das Verfahren 2/22. Anschließend wird die Hauptverhandlung erneut durchgeführt und abgeschlossen.
Abzurechnen ist zunächst wie im vorangegangenen Fall. Allerdings ist in beiden gerichtlichen Verfahren noch eine Terminsgebühr angefallen, die sich nach Nr. 5108 VV richtet, da jeweils nur ein Bußgeld von unter 60,00 EUR im Raum stand. Im Verfahren 2/22 entsteht dann noch eine weitere Terminsgebühr nach Nr. 5110 VV.
I. | Verfahren 1/22 | ||
a) | Verfahren vor der Verwaltungsbehörde | ||
1. | Grundgebühr, Nr. 5100 VV | 110,00 EUR | |
2. | Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV | 71,50 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 201,50 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 38,29 EUR | |
Gesamt | 239,79 EUR | ||
b) | Verfahren vor dem Amtsgericht | ||
1. | Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV | 71,50 EUR | |
2. | Terminsgebühr, Nr. 5108 VV | 143,00 EUR | |
3. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 234,50 EUR | ||
4. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 44,56 EUR | |
Gesamt | 279,06 EUR | ||
II. | Verfahren 2/22 | ||
a) | Verfahren vor der Verwaltungsbehörde | ||
Wie I. a). | |||
b) | Verfahren vor dem Amtsgericht | ||
1. | Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV | 176,00 EUR | |
2. | Terminsgebühr, Nr. 5108 VV | 143,00 EUR | |
3. | Terminsgebühr, Nr. 5110 VV | 280,50 EUR | |
4. | Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV | 20,00 EUR | |
Zwischensumme | 619,50 EUR | ||
5. | 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV | 117,71 EUR | |
Gesamt | 737,21 EUR |
Rz. 147
Beispiel 72: Verbindung zweier Bußgeldverfahren in der Hauptverhandlung
Gegen den Auftraggeber sind zwei gesonderte Bußgeldverf...
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