Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 103
Zur Verjährung im Einzelnen vgl. § 21 Rdn 1 ff.
Rz. 104
Soweit der Forderungsübergang – wie im Fall des § 116 SGB X – im Augenblick des Unfalls eintritt, stehen sich der kraft Gesetzes übergegangene und der beim Geschädigten verbliebene Anspruch (z.B. Schmerzensgeldanspruch) trotz gleichen Ursprungs und gleicher Rechtsnatur von Anfang an als selbstständige Forderungen – geschieden durch die Person des Gläubigers – gegenüber. Sowohl für den Geschädigten als auch für den Sozialversicherungsträger ergeben sich selbstständig zu beurteilende Verjährungsfristen, obwohl die für den Schadensersatz maßgebende Verjährungsfrist (z.B. §§ 199, 852 BGB) für beide gilt.
Rz. 105
Der Sozialversicherungsträger muss sich die Kenntnis des Geschädigten vom Schaden und der Person des Schädigers nicht zurechnen lassen. Für ihn beginnt der Lauf der Verjährung erst, wenn der beim Sozialversicherungsträger zuständige Regresssachbearbeiter die erforderliche Kenntnis erlangt.
Rz. 106
Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
Rz. 107
Bei Behörden und öffentlichen Körperschaften beginnt die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche erst dann zu laufen, wenn der zuständige Bedienstete der verfügungsberechtigten Behörde Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen erlangt; verfügungsberechtigt in diesem Sinne sind dabei solche Behörden, denen die Entscheidungskompetenz für die zivilrechtliche Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zukommt, wobei die behördliche Zuständigkeitsverteilung zu respektieren ist. Sind innerhalb einer regressbefugten Behörde mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, so kommt es für den Beginn der Verjährung von Regressansprüchen grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der Regressabteilung an.
Rz. 108
In einer jüngeren Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof zur innerbehördlichen Aufteilung der Bearbeitung nach Leistungsabteilung (Prüfung der Einstandspflicht gegenüber dem Verletzten) und Regressabteilung (Prüfung der Geltendmachung von Schadensersatz- oder Regressansprüchen gegenüber Dritten) festgehalten, dass das Wissen der Bediensteten der Leistungsabteilung "regelmäßig unmaßgeblich (ist) und zwar auch dann, wenn die Mitarbeiter dieser Abteilung aufgrund einer behördeninternen Anordnung gehalten sind, die Schadensakte an die Regressabteilung weiterzuleiten, sofern sich im Zuge der Sachbearbeitung Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung des Schadens durch Dritte oder eine Gefährdungshaftung ergeben".
Rz. 109
Im Deliktsrecht ist für den Beginn der Verjährungsfrist bei den Ansprüchen der Sozialversicherungsträger auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Mitarbeiter der für den Regress zuständigen Organisationseinheit abzustellen. Eine dem Sozialversicherungsträger zuzurechnende grob fahrlässige Unkenntnis kann vorliegen, wenn die für den Regress zuständige Organisationseinheit ohne Weiteres hätte erkennen können, dass ein Regress veranlasst ist. Sie kommt ferner in Betracht, wenn diese Organisationseinheit nicht in geeigneter Weise behördenintern sicherstellt, dass sie frühzeitig von Umständen Kenntnis erhält, die einen Regress begründen können.
Rz. 110
Kommt es für den Beginn der Verjährung auf die Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters der Pflegekasse an, ist die Kenntniserlangung durch den Beschäftigten für die Verjährung der Forderungen der Pflegekasse nur relevant, wenn und soweit der Bedienstete bei der Abwicklung des Schadensfalls für diese handelt.
Rz. 111
Bei einem Haftpflichtversicherer, der durch Zahlung eines Pflegegeldbetrags an den Geschädigten bewirkt, dass der Geschädigte keine Leistung aus der Pflegeversicherung beantragt, und der damit die Kenntnis des Sozialversicherungsträgers von dem Ersatzanspruch gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer verhindert, hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Berufung auf die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben verwehrt sein kann.
Rz. 112
Macht der Sozialhilfeträger im Regressweg Schadensersatzansprüche des Geschädigten gegen den Schädiger geltend, ist für den Verjährungsbeginn nach (§ 852 BGB a.F.) entscheidend, wann der für Regressfälle zuständige Sachbearbeiter des Leistungsträgers Kenntnis von der Person des Schädigers und dem konkreten Schaden erlangt hat.
Rz. 113
Auch bei Vorhandensein einer eigenständigen Rechts- und Regressabteilung kommt es bei einem Sozialversicherungsträger auf die frühere Kenntnis des Sachbearbeiters der Leistungsabteilung an, wenn dieser eine Vorprüfung anzustellen hat, ob ein Regress in Betracht kommt.
Rz. 114
Entscheidend ist, dass sich Entstehung und Übergang des Schadensersatzanspruchs im selben Augenblick vollenden, soda...