a) Überhöhte Geschwindigkeit

 

Rz. 60

Überhöhte Geschwindigkeit kann allenfalls dann ein Indiz sein, wenn kein nachvollziehbares Motiv hierfür erkennbar ist (OLG Koblenz VRS 63, 361; BayObLG DAR 1990, 87) und die Überschreitung erheblich war (LG Kempten DAR 1999, 280). Zu bedenken ist jedenfalls, dass auch viele nicht alkoholisierte Verkehrsteilnehmer zu schnell fahren (BGH NZV 1995, 80).

 

Rz. 61

Liegt dagegen ein nachvollziehbares Motiv vor, das selbst in einer Polizeiflucht liegen kann, lässt eine überhöhte Geschwindigkeit nicht auf alkoholbedingte Enthemmung schließen (LG Osnabrück DAR 1994, 128; BGH zfs 1994, 464; BGH BA 51, 176), und zwar noch nicht einmal bei weiteren erheblichen Verkehrsverstößen, wie dem Überfahren eines Rotlichtes (BGH bei Tolksdorf, DAR 1995, 189).

Für das OLG Düsseldorf (zfs 1997, 113) liegt dagegen gerade in einem bewusst verkehrswidrigen Fahrverhalten ein Indiz für Fahruntüchtigkeit.

b) Missachtung des Rotlichts

 

Rz. 62

Die Missachtung des Rotlichts rechtfertigt für sich noch nicht die Annahme der absoluten Fahruntauglichkeit, denn es ist bei der Beurteilung in Rechnung zu stellen, dass Rotlichtverstöße von nüchternen Fahrern ebenfalls häufig begangen werden (LG Berlin zfs 2005, 621). Das gilt vor allem dann, wenn der Betreffende irrtümlich das Grünlicht für Linksabbieger auf seine Geradeausspur bezogen hat: "Mitzieheffekt" (LG Bonn DAR 2013, 38).

c) Nichtbeachtung des Stoppschildes

 

Rz. 63

Aus dem Nichtbeachten eines Stoppschildes kann nicht auf relative Fahruntauglichkeit geschlossen werden. Ein solcher Verstoß deutet nämlich nicht zwingend auf einen in symptomatischer Weise auf die nach Alkoholgenuss typischerweise auftretenden Beeinträchtigungen hin, zumal solche Verstöße auch bei nicht alkoholisierten Fahrern zu beobachten sind (LG Berlin zfs 2009, 348).

d) Abkommen von der Fahrbahn nach Kurve

 

Rz. 64

Das Abkommen von der Fahrbahn nach einem Kurvenverlauf, wie dies an solchen Stellen auch nüchternen Kraftfahrern immer wieder passiert (LG Zweibrücken zfs 1994, 265), ist kein Indiz.

e) Überfahren der Mittellinie

 

Rz. 65

Ebenso wenig das Überfahren der Mittellinie auf kurvenreicher Strecke mit einem Lkw (LG Zweibrücken NZV 1994, 450).

f) Fahren mit Standlicht bei gut ausgeleuchteter Straße

 

Rz. 66

Alleine ein in unzureichender Beleuchtung im innerstädtischen Verkehr liegender Fahrfehler vermag die Annahme alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit nicht zu rechtfertigen (LG Potsdam NZV 2005, 597).

g) Linksabbieger-/Überholunfälle

 

Rz. 67

Linksabbieger-/Überholunfälle sind die häufigsten Unfallursachen. Solche Unfälle unterlaufen auch nüchternen Fahrern ständig, so dass eine Mitursächlichkeit des Alkoholeinflusses nur bei weiteren Beweisanzeichen angenommen werden kann (LG Osnabrück DAR 1995, 79).

h) (Mit-)Verschulden Dritter

 

Rz. 68

Das LG Kaiserslautern (zfs 2000, 307) verneint die Indizwirkung bereits dann, wenn ein Dritter den Unfall zumindest mitverschuldet hat. Das dürfte in dieser Allgemeinheit nicht richtig sein, denn das Mitverschulden eines Dritten schließt ja nicht den alkoholbedingten Fahrfehler des Betroffenen aus.

Tatsächlich wollte und konnte das Landgericht im Rahmen des § 111a-StPO-Verfahrens die Frage des Verschuldens nicht abschließend klären und unterstellte, dass der Gegner den Unfall zumindest mitverschuldet, möglicherweise auch alleine verschuldet hatte.

i) Unfälle bei Schnee oder Glatteis

 

Rz. 69

Ist nicht ausgeschlossen, dass bei Schnee oder Glatteis die ungünstigen Straßenverhältnisse Unfallursache waren, kann im Unfallereignis kein Indiz für die Fahrunsicherheit gesehen werden (LG Kempten DAR 1999, 280; OLG Hamm zfs 2000, 70; LG Leipzig DAR 2006, 402; OLG Schleswig zfs 2014, 293).

j) Besonders vorsichtige Fahrweise

 

Rz. 70

Eine besonders vorsichtige Fahrweise zeugt für sich genommen eher von besonderer Verantwortung, sie kann deshalb zumindest so lange nicht als Indiz angesehen werden, wie der Fahrer sich noch nicht verkehrswidrig (z.B. durch extrem langsames Fahren) verhält (OLG Köln NZV 1995, 454).

 

Rz. 71

 

Tipp: Fremdes Fahrzeug

Fahrfehler haben dann keine Indizwirkung, wenn andere Gründe, wie ein ungewohntes fremdes Fahrzeug und mangelnde Fahrpraxis, Ursache gewesen sein können (OLG Köln NZV 1995, 454).

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