Rz. 97
Im Bußgeldverfahren ermöglicht § 73 OWiG dem Betroffenen, von der Hauptverhandlung fernzubleiben. Die Rechtsprechung hat sich hier in den letzten Jahren abgesehen von wenigen zu vernachlässigenden Ausnahmen konsolidiert, so dass klar ist, unter welchen Voraussetzungen das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag hin zu entbinden hat. Neben dem Betroffenen selbst können auch der Verteidiger oder der Unterbevollmächtigte den Entbindungsantrag für den Betroffenen stellen, letzterer natürlich nur, wenn eine schriftliche, neuerdings "nachgewiesene" Vertretungsvollmacht des Hauptbevollmächtigten i.S.d. § 73 Abs. 3 OWiG spätestens zusammen mit dem Antrag vorgelegt wird. Der Antrag kann, entgegen dem Wortlaut der §§ 73, 74 OWiG nach der h.M. in der Rechtsprechung auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache gestellt werden. Darüber hinaus kann die Vertretungsvollmacht auch vom Verteidiger selbst unterzeichnet werden.
Rz. 98
Es ist darauf zu achten, dass das Entbindungsbegehren eindeutig ist. Ebenfalls darf der Antrag nicht in einem umfangreichen Schriftsatz versteckt werden, um ein aufhebbares Verwerfungsurteil zu provozieren.
Rz. 99
Das Gericht muss den Betroffenen auf seinen Antrag hin entbinden, wenn seine Anwesenheit in der Hauptverhandlung nicht erforderlich ist. Wenn nicht eine rechtlich besondere Konstellation vorliegt, etwa der Übergang ins Strafverfahren, ist die Anwesenheit des Betroffenen nur erforderlich, wenn dessen physische Präsenz für das Gericht unumgänglich ist, um den Tatvorwurf zu prüfen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein Messfoto von einem Verkehrsverstoß vorliegt und der Betroffene die Fahrereigenschaft nicht eingeräumt hat. Hat er dies aber getan und darüber hinaus erklärt, dass er keine weiteren Angaben zur Person und zur Sache machen werde, kann seine Anwesenheit durch das Gericht nicht erzwungen werden. Wichtig für den Verteidiger ist dabei, dass der Betroffene nur die Fahrereigenschaft, nicht aber die Tat einräumen muss. Sollte es sich um einen Verstoß mit einem Lkw handeln, bei dem typischerweise nur ein Kennzeichen auf dem Messfoto abgelichtet wurde, ist nicht einmal erforderlich, die Fahrereigenschaft einzuräumen. Denn aus der physischen Präsenz des Betroffenen könnte das Gericht in einem solchen Fall nicht einmal Schlüsse ziehen. Auch bei Kennzeichenanzeigen bringt die Anwesenheit des Fahrers für das Gericht keinen Vorteil für die Identifikation.
Rz. 100
Muster 37.31: Entbindungsantrag
Muster 37.31: Entbindungsantrag
An das Amtsgericht _________________________
Sehr geehrte _________________________,
hiermit verweise ich auf mein Bestellungsschreiben vom _________________________ und reiche wie angekündigt die schriftliche Vollmacht zur Akte nach. Aufgrund der darin enthaltenen Vertretungsvollmacht gebe ich zunächst für den Betroffenen folgende Stellungnahme ab: Die Fahrereigenschaft betreffend den verfahrensgegenständlichen Verstoß vom _________________________ auf der BAB _________________________ wird eingeräumt. Weitere Angaben zur Person und zur Sache werden nicht gemacht. Zugleich beantrage ich, den Betroffenen von der Pflicht des persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung am _________________________ zu entbinden.
(optional) Höchst vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass, obwohl der zugrunde liegende Bußgeldbescheid von einem fahrverbotsbewehrten Verstoß ausgeht, der Betroffene selbst auch diesbezüglich keine weitergehenden Angaben in der Hauptverhandlung zur Person machen wird. Dem steht auch die Pflicht zur Angabe des Berufs nach § 111 OWiG nicht entgegen. Denn diese beträfe die Rechtsfolgenzumessung und ist deshalb vom Aussageverweigerungsrecht des Betroffenen umfasst. Sollten Angaben erforderlich sein, können diese durch den bevollmächtigten Vertreter gemacht werden.
(optional) Höchst vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass der Betroffene nicht in der Hauptverhandlung anwesend sein muss, um den geladenen Zeugen POK _________________________ und PK _________________________ die Erinnerung an den behaupteten Verstoß zu ermöglichen. Dies wäre unzulässig (KG, Beschl. v. 30.11.2010 – 3 Ws (B) 626/10 = DAR 2011, 146).
Rz. 101
Der Verteidiger muss danach mit dem Betroffenen klären, ob er ebenfalls der Hauptverhandlung fernbleiben kann oder soll. Eine Präsenz des Verteidigers ist nach der erfolgten Entbindung des Betroffenen jedenfalls nicht zwingend erforderlich. Ob der Verteidiger das Gericht dann kollegialiter darüber informiert, dass niemand erscheinen wird, ist der persönlichen Einstellung zum Umgang miteinander innerhalb der Rechtspflege überlassen.
Rz. 102
Ebenfalls muss der Verteidiger darauf achten, dass die erfolgte Entbindung grundsätzlich nur für die konkrete Hauptverhandlung bzw. deren Fortsetzungstermine nach Unterbrechung gilt. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und neu terminiert, ist auch ein neuer Entbindungsantrag zu stellen. Allerdings gehen inzwischen gleich mehrere Gerichte davon aus, dass auch ein e...