Dr. Dirk Pohl, Dr. iur. Uwe Scholz
Rz. 205
Die Nichtzulassungsbeschwerde kann rügen, dass das Finanzgericht die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hätte zulassen müssen, § 116 Abs. 3 S. 3 FGO i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
aa) "Grundsätzlich" – was ist das?
Rz. 206
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn die Entscheidung durch den BFH aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen (abstrakten) Interesse liegt. Entscheidend ist, ob das Interesse eines größeren Kreises von Steuerpflichtigen an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts berührt ist. Grundsätzliche Bedeutung können danach Rechtssachen haben, in denen es um Prinzipien/Grundsätze des Steuerrechts geht, die Rechtsfragen von allgemeinem Interesse für die Gesamtheit aufwerfen, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind oder die höchstrichterlich zwar entschieden sind, doch die vertretene Rechtsauffassung beachtlichen Widerspruch erfahren hat.
Rz. 207
Durch die FGO-Novelle 2001 ist § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zwar nicht geändert worden; jedoch gibt es zusätzlich nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO den Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall der Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung. In der Praxis sollte man sich vorsorglich auf beide Zulassungsgründe berufen und die Abgrenzung dem BFH überlassen. Darüber hinaus sollte nach der Begründung zur FGO-Novelle gelten, dass Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts über den Einzelfall hinaus auch dann allgemeine Interessen nachhaltig berühren, wenn sie von erheblichem Gewicht und auch geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies kommt im Gesetzeswortlaut von § 115 Abs. 2 FGO aber nur ungenügend zum Ausdruck. Jedoch geht der BFH nunmehr davon aus, dass besonders schwerwiegende Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts die Zulassung der Revision ermöglichen.
Zur Frage, ob dazu an § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO (grundsätzliche Bedeutung) oder § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO (Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) anzuknüpfen ist, führt der BFH im Beschl. v. 13.10.2003 lapidar aus, dies sei im Ergebnis ohne Bedeutung. Eine allgemeingültige Definition des "besonders schwerwiegenden Fehlers" ist von der Rechtsprechung noch nicht entwickelt worden. Die bisherigen Entscheidungen des BFH lassen auf ein restriktives Verständnis schließen. Maßgeblich ist danach, ob die Entscheidung des Finanzgerichts "objektiv willkürlich" erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht, also unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist.
bb) Beschwerdeinhalt
Rz. 208
Die Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache "darlegen". Darunter versteht die Rechtsprechung schlüssige, substantiierte und konkrete Angaben über das Vorliegen der Merkmale der Grundsätzlichkeit (bloße Floskeln reichen nicht). In der Praxis empfiehlt es sich, die klärungsbedürftige abstrakte Rechtsfrage in Frageform auszuformulieren. Es ist dann unter Auseinandersetzung mit den in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen, die ausdrücklich zu zitieren sind, darzulegen, weshalb die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist, d.h. insbesondere warum sie umstritten ist. Des Weiteren ist neben der Klärungsbedürftigkeit auch die Klärungsfähigkeit darzulegen; d.h., dass die Rechtsfrage auch im anschließenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich ist. Soweit das Finanzgericht seine Entscheidung kumulativ begründet hat, muss die Darlegung eines Zulassungsgrundes für jede die Entscheidung alleine tragende Urteilsbegründung erfolgen.