Rz. 52
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer anbieten, ihn für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses (bis zu einer erstinstanzlichen, zweitinstanzlichen oder rechtskräftigen Entscheidung) befristet weiterzubeschäftigen. Von Bedeutung ist diese Möglichkeit im Wesentlichen in denjenigen Fällen, in denen eine mittlere oder längere Dauer der Arbeitslosigkeit des gekündigten Arbeitnehmers zu befürchten steht (oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann).
Rz. 53
Erfolgt ein Angebot zur befristeten Weiterbeschäftigung, so beendet dies den Annahmeverzug als solchen zwar nicht, da es hierzu des Angebotes auf rückwirkende, unbefristete Fortführung des Arbeitsverhältnisses bedarf, doch kann ein Annahmeverzugslohnrisiko (wegen § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG bzw. § 615 S. 2 BGB) für den jeweiligen Zeitraum nicht entstehen, denn eine Anrechnung kommt auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich mit der Annahme der Dienste in Verzug befindet. Voraussetzung ist allerdings, dass die Annahme des Angebotes auf befristete Weiterbeschäftigung dem Arbeitnehmer zumutbar ist (dazu i.E. siehe Rdn 55). Andererseits wird der Arbeitgeber – wegen der Verpflichtung zur fortlaufenden weiteren Zahlung von Lohn und Gehalt – mit erheblichen Mehraufwendungen belastet. Diesen Zahlungspflichten stehen freilich grundsätzlich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung gegenüber, wobei im Einzelfall zu prüfen ist, welchen Wert die Arbeitsleistung nach erfolgter Kündigung für den Arbeitgeber (noch) besitzt.
Rz. 54
Der Einfluss, den die Möglichkeit eines arbeitgeberseitigen Angebotes zur befristeten Weiterbeschäftigung auf die Verhandlungen über die Abfindung ausübt, ist damit klar: Das mit dem Annahmeverzugslohnrisiko verbundene Drohpotential entfällt gegebenenfalls. Andererseits kann dieses Angebot je nach konkreter Ausgestaltung präjudizierende Wirkung für die Kündigung haben. Wer zunächst betriebsbedingt kündigt, dann aber doch einen Arbeitsplatz anzubieten vermag, kann je nach den Umständen des einzelnen Falles widersprüchlich handeln. In geeigneten Fällen ist zu überlegen, eine befristete sachgrundlose Beschäftigung durch einen Dritten anbieten zu lassen, um diese Problematik zu vermeiden. Im Rahmen des § 14 Abs. 2 TzBfG besteht die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung von bis zu zwei Jahren, falls zwischen den betreffenden Parteien noch kein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG).
Rz. 55
Der Arbeitnehmer muss sich nach § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, dasjenige, was er hätte verdienen können, nur dann anrechnen lassen, wenn er es böswillig unterlassen hat, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG ist Sonderregelung zu § 615 S. 2 BGB, jedoch sind trotz des nicht völlig identischen Wortlauts die Vorschriften inhaltsgleich. Nach beiden Bestimmungen ist zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist dem Arbeitnehmer die Weiterarbeit zu den bisherigen Bedingungen grundsätzlich zumutbar. Aber auch die Fortsetzung derselben Arbeit zu einer verminderten Vergütung ist nicht von vornherein unzumutbar, weil ebenso die entsprechende Arbeit zu einer geringeren Vergütung bei einem anderen Arbeitgeber nicht ohne weiteres unzumutbar wäre. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis bedingt als solcher nicht die Unzumutbarkeit jedweder anderen Tätigkeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung. § 11 S. 1 Nr. 2 KSchG regelt nicht Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen. Auf ein Angebot, statt einer Prozessbeschäftigung das Arbeitsverhältnis als solches zu geänderten Bedingungen fortzuführen, muss sich der Arbeitnehmer aber nicht einlassen. Die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung beeinträchtigt hingegen regelmäßig das Ansehen des Arbeitnehmers, sodass Art und Schwere der gegenüber dem Arbeitnehmer erhobenen Vorwürfe, so lange diese im Raum stehen – was bei der Prozessbeschäftigung regelmäßig der Fall ist –, die Unzumutbarkeit der Weiterarbeit begründen können. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber für die Kündigung auf einen unstreitigen und für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung grundsätzlich geeigneten Sachverhalt abstellt, der nur rechtlich zu bewerten ist, und der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten selbst die Ursache für die Vorwürfe des Arbeitgebers gesetzt hat. Des Weiteren ist auch bei verhaltensbedingten Kündigungen eine Prozessbeschäftigung zumutbar, wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis aller Umständ...