Rz. 100
Die Widerrufsrechte stellen einen zentralen Teil des Verbraucherschutzes im BGB dar. Sie setzen keine Pflichtverletzung des Unternehmers voraus, sondern bieten dem Verbraucher die Möglichkeit, den abgeschlossenen Vertrag über §§ 355 ff. BGB rückabzuwickeln.
Rz. 101
Der Widerruf muss gem. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer erfolgen. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf klar und eindeutig hervorgehen, § 355 Abs. 1 S. 3 BGB. Da der Entschluss zum Widerruf eindeutig hervorgehen muss, ist für die Ausübung des Widerrufs die Rücksendung der Ware nicht mehr ausreichend. Der Widerruf muss eine Begründung enthalten, § 355 Abs. 1 S. 4 BGB, und kann formlos, also etwa auch mündlich oder telefonisch erfolgen. Gleichwohl ist es weiterhin ratsam, z.B. in Textform (also per E-Mail) zu widerrufen, weil dem Verbraucher die Beweislast für einen rechtzeitigen Widerruf obliegt.
Rz. 102
Die normale Widerrufsfrist beträgt 14 Tage ab Vertragsabschluss, § 355 Abs. 2 BGB.
Wichtig: Bei Kaufverträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen oder im Wege des Fernabsatzes abgeschlossen wurden, beginnt die Frist gem. § 356 Abs. 2 BGB erst bei Erhalt der Ware zu laufen. Zusätzlich muss der Verbraucher ordnungsgemäß über die Widerrufsmöglichkeit belehrt worden sein, § 356 Abs. 3 i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. Das Widerrufsrecht erlischt aber spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsabschluss bzw. dem Erhalt der Ware.
Rz. 103
Macht der Verbraucher vom seinem Widerrufsrecht Gebrauch, möchte er in aller Regel auch seine Versandkosten erstattet bekommen. Zu unterscheiden sind dabei die Hinsendekosten, also die Kosten für den Versand vom Unternehmer zum Verbraucher, sowie die Rücksendekosten, also die Kosten für den Versand vom Verbraucher an den Unternehmer.
Seit einer Entscheidung des EuGH (Urt. v. 15.4.2010 – Az.: C-511/08) steht fest, dass die Hinsendekosten grundsätzlich vom Unternehmer zu tragen sind. Diese Regelung hat seit 13.6.2014 eine gesetzliche Grundlage in § 357 Abs. 2 S. 1 BGB gefunden. Der Verbraucher kann jedoch nur noch die Standardkosten für die Hinsendung verlangen. Etwaige Zusatzkosten, die z.B. für Express-Lieferungen entstehen, können nicht ersetzt werden.
Die Rücksendekosten sind im Grundsatz vom Verbraucher alleine zu tragen, unabhängig davon, welcher Warenwert gegeben ist. Alleinige Voraussetzung ist, dass der Verbraucher über seine Pflicht, die Kosten zu tragen, vorab im Rahmen der Widerrufsbelehrung gem. § 357 Abs. 6 S. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB aufgeklärt wurde. Fehlt es an dieser Aufklärung, trägt weiterhin der Unternehmer die gesamten Kosten der Rücksendung.
Hinweis
Beachtet werden muss die Besonderheit, dass Verbraucher auch nicht-paketversandfähige Ware künftig per Spedition zurücksenden müssen. Möchte der Unternehmer dem Verbraucher auch hier die Kostenlast aufbürden, muss er ihm vorab die konkreten Kosten der Rücksendung nennen.
Rz. 104
Sobald der Verbraucher die bestellte Ware erhalten hat, hat er grundsätzlich das Recht, die Ware so zu prüfen, wie er sie auch im Ladengeschäft prüfen könnte. Allerdings ist er bei einem Widerruf jedenfalls dann zum Wertersatz gem. § 357 Abs. 7 BGB verpflichtet, wenn
a) |
die Verschlechterung der Ware auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, die über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht und |
b) |
er zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde und insbesondere über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist oder zumindest Kenntnis davon hatte. |
Beispiel
Käuferin K "testet" die über amazon.de erworbenen Schuhe einen Partyabend lang. Da sie die Schuhe für nicht "partytauglich" befindet, erklärt sie den Widerruf.
Im vorliegenden Fall schuldet K als Verbraucherin dem Unternehmer gem. § 357 Abs. 7 Wertersatz der Ware, wenn der Wertverlust auf einen für die Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist (Nr. 1) und der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (Nr. 2). Zur Prüfung der Ware kann im Einzelfall auch die bestimmungsgemäße Inbetriebnahme gehören. Der Verbraucher darf einen Pullover aber nur anprobieren, nicht jedoch tragen. K muss deshalb Wertersatz leisten, soweit die Schuhe einen Wertverlust aufweisen.