Rz. 49
Dem Normalfall rechtsgeschäftlichen Handelns entspricht es, dass der Handelnde selbst, d.h. in eigener Person tätig ist. A, der ein Buch erwerben will, geht selbst in den Laden und schließt dort einen Kaufvertrag über den Erwerb des Buches.
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass Personen nicht nur selbst, sondern auch durch Vertreter handeln. Vertreter ist derjenige, dermit Vollmachtdes Vertretenen handelt, wobei sich die Vollmacht des Vertreters aus Rechtsgeschäft oder aus Gesetz ergeben kann. Folge einer wirksamen Vertretung ist, dass der Vertretene unmittelbar aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet wird (§ 164 Abs. 1 BGB).
Beispiel:
A erhält von D die Vollmacht, einen Kaufvertrag über einen neuen Schreibtisch abzuschließen.
Beim Abschluss des Kaufvertrages durch den Vertreter erwirbt nicht dieser einen Anspruch auf Übereignung der Kaufsache, sondern der Vertretene, also D. Ebenso wird nicht der Vertreter, sondern der Vertretene zur Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet.
1. Rechtsgeschäftliche Vertretung
Rz. 50
Vertreter aufgrund Rechtsgeschäfts wird man durch Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen.
Rz. 51
Die Vollmacht kann grundsätzlich formfrei erteilt werden, und zwar auch dann, wenn sie sich auf ein formbedürftiges Rechtsgeschäft bezieht. Ausnahme von diesem Grundsatz bildet die Prozessvollmacht, die gem. § 80 ZPO schriftlich zu erteilen ist. Sinnvoll ist im Übrigen die schriftliche Vollmachtserteilung auch für den Fall, dass mit der Vollmacht ein einseitiges Rechtsgeschäft ausgeführt werden soll, da in einem solchen Fall der das Rechtsgeschäft gegenüber einem anderen vornehmende Vertreter Gefahr läuft, dass seine Willenserklärung gem. § 174 BGB von dem anderen zurückgewiesen wird.
Rz. 52
Der öffentlichen Beglaubigung bedarf die Vollmacht für die Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1945 BGB), die Anmeldung zum Vereinsregister (§ 77 BGB), die Anmeldung zum Handelsregister (§ 12 HGB), die Eintragung ins Grundbuch (§§ 29, 30 GBO) und die Vertretung eines Bieters im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 71 ZVG). Zu beachten ist, dass die Vollmacht schriftlich oder sogar mit öffentlicher Beglaubigung erteilt werden muss, wenn mit ihr eines der genannten Rechtsgeschäfte ausgeführt werden soll.
Rz. 53
Vollmachten können als General-, Gattungs- oder Spezialvollmacht erteilt werden.
Mit der Generalvollmacht wird der Vertreter berechtigt, für den Vertretenen in jeglicher rechtlicher Hinsicht tätig zu werden. Die Generalvollmacht kann zeitlich befristet oder auch über den Tod des Vertretenen hinaus erteilt werden. Die Spezialvollmacht hingegen beschränkt die Bevollmächtigung des Vertreters auf eine bestimmte, näher bezeichnete Rechtsangelegenheit. Nur in dieser darf der Vertreter den Vertretenen unmittelbar verpflichten.
Die Gattungsvollmacht schränkt die Berechtigung des Vertreters auf bestimmte Rechtsgeschäfte ein. Zu dieser Gruppe von Vollmachten zählen beispielsweise die Bank- oder die Postvollmacht.
Rz. 54
Eine besondere Art der Bevollmächtigung ist die Prokura, die in den §§ 48 ff. HGB geregelt ist. Die Prokura berechtigt den Prokuristen zu allen gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.
Rz. 55
Die erteilte Vollmacht erlischt, wenn das Grundverhältnis erlischt. Eine Vollmacht wird z.B. dann wirkungslos, wenn ein Kauf oder ein anderes Rechtsgeschäft vollzogen ist (Lieferung der Sache und Zahlung des Kaufpreises). Sie erlischt im Übrigen auch, wenn sie widerrufen wird. Der Widerruf ist dabei eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die dem Vertreter zuzustellen ist. Unter Umständen muss sie auch demjenigen gegenüber mitgeteilt werden, dem die Vollmacht zuvor angezeigt worden ist.
Der Vertreter ist im Fall des Erlöschens einer Vollmacht verpflichtet, eine etwaige Vollmachtsurkunde zurückzugeben, ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm nach § 175 BGB an der Urkunde nicht zu. Für den Fall, dass der Vertreter die Vollmacht nicht zurückgibt, kann der Vertretene sie durch Gerichtsbeschluss für kraftlos erklären lassen (§ 176 BGB).
Rz. 56
Schwierig gestalten sich die Fälle der Vertretung ohne Vertretungsmacht. Vertritt jemand eine andere Person, ohne von dieser bevollmächtigt zu sein oder überschreitet er die Grenzen der Vollmacht, so hängt die Wirksamkeit des Vertrages von der (nachträglichen) Genehmigung des unberechtigterweise Vertretenen ab (§ 177 Abs. 1 BGB). Die Genehmigung kann bis zum Ablauf von zwei Wochen ab dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird die Genehmigung nicht abgegeben, so gilt sie als verweigert (§ 177 Abs. 2 BGB).
Bis zur Genehmigung bzw. Nicht-Genehmigung ist der Vertrag schwebend unwirksam. Genehmigt der Vertretene den Vertrag, wird er ihm gegenüber wirksam. Verweigert er die Genehmigung, so ist der Vertrag ihm gegenüber unwirksam. Die Wirksamkeit besteht aber gegenüber dem Vertreter, der seine Vertretungsmacht überschritten hat. Der Dritte kann nun von dem Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 189 Abs. 1 BGB wahlweise...