Rz. 63
Bei der Vergütungsregelung kommt der Vereinbarung zusätzlicher Zahlungen wie 13. Gehalt, Gratifikation besondere Bedeutung zu, weil es insoweit wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen häufig zu Auslegungsproblemen kommt.
Wird eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung vereinbart mit reinem Entgeltcharakter, gilt:
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Anteiliger Zahlungsanspruch, auch wenn das Arbeitsverhältnis im Auszahlungszeitpunkt nicht mehr besteht. |
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Keine Zahlungspflicht bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses, z.B. im Erziehungsurlaub. |
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Zahlungspflicht anteilig auch für Fortzahlungszeiträume ohne Arbeitsleistung, soweit nicht eine zulässige Kürzung durch Tarifvertrag oder Vereinbarung gilt. |
Für die Gratifikation, die allein auf die Bindung an das Arbeitsverhältnis abzielt, gilt:
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Grundsätzlich keine Verpflichtung zur Zahlung bei Ausscheiden vor dem Auszahlungszeitpunkt. |
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Zahlungsverpflichtung unabhängig von dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses oder der Erbringung der Arbeitsleistung, z.B. bei krankheitsbedingten Fehlzeiten. |
Als Korrektiv sind zulässig und üblich Freiwilligkeitsvorbehalte, Bedingungen, wie z.B. das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses im Auszahlungszeitpunkt, und Rückzahlungsklauseln.
Bei der Gratifikation mit Mischcharakter, die beide Zwecke verfolgt, gelten nach der Rechtsprechung des BAG überwiegend die Rechtsfolgen wie bei der Gratifikation für die Betriebstreue.
Zur Vermeidung ungewollter Zahlungspflichten wird deshalb dringend empfohlen:
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Die sorgfältige Prüfung, Festlegung und Formulierung des Zwecks der Sonderzuwendung |
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Die Vereinbarung der Freiwilligkeit der Sonderzuwendung ohne Rechtspflicht für die Zukunft |
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Der Vorbehalt des Widerrufs |
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Eine Rückzahlungsklausel im Rahmen der von der Rechtsprechung des BAG dazu nach der Höhe der Gratifikation gestaffelten Bindungsfristen |
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Eine Klausel zur Kürzung der Gratifikation für Zeiten, in denen die Arbeitsleistung nicht erbracht wird, insbesondere zu Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder auch der Elternzeit unter Beachtung der in § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz und nach der Rechtsprechung des BAG dafür geltenden Grenzen. |
Die Sorgfalt bei der vertraglichen Vereinbarung einer Gratifikation ist auch deshalb geboten, weil nach der ständigen Rechtsprechung des BAG bei mehrjähriger vorbehaltloser Zahlung einer Gratifikation kraft betrieblicher Übung eine Zahlungsverpflichtung für die Zukunft besteht, die nicht mehr einseitig beseitigt werden kann, wenn kein Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt wurde. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist nach der Rechtsprechung des BAG und der Literatur dann unwirksam, wenn er alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, weil er dann den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 benachteiligt.
Bei den Gratifikationsklauseln (insbesondere Widerrufs- und Rückzahlungsvorbehalten) muss das Recht der AGB-Kontrolle beachtet werden.
Anzuraten ist die Überprüfung der Gratifikationsvereinbarung auch in steuerlicher Hinsicht, ggf. eine Aufteilung in "Weihnachts- und Urlaubsgeld". Dasselbe gilt für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Einmalzahlungen gem. § 23a SGB IV.
Im Bereich der leistungs- und erfolgsabhängigen variablen Entgeltbestandteile hat sich neben Akkord-, Prämienlohnvereinbarungen und Tantiemen zunehmend die Erreichung der in einer Zielvereinbarung festzulegenden Ziele als Grundlage für die Zahlung einer variablen Vergütung herausgebildet.
Derartige Klauseln, die einen Kernbereich des Arbeitsverhältnisses, die Vergütung, betreffen, können Bedenken begegnen nach der AGB-Kontrolle, insbesondere im Hinblick auf das Transparenzgebot und das Klauselverbot in § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt). Das gilt insbesondere, wenn die Voraussetzungen für den Vergütungsanspruch so verschachtelt und unklar geregelt sind, dass einerseits eine Vergütungszusage gemacht wird, die andererseits aber letztlich ins Belieben des Arbeitgebers gestellt ist. Soll die variable Vergütung nach Zielvereinbarung als Leistungsanreiz eine freiwillige Leistung sein, was nur zulässig ist, wenn es sich nicht um Entgelt für geleistete Arbeit handelt, muss dies ausdrücklich geregelt werden, um ungewollte Zahlungsansprüche auszuschließen.
Wenn die Zahlung einer variablen Vergütung nach Zielvereinbarung vereinbart wird, wird die Bonuszahlung auch dann geschuldet, wenn eine Zielvereinbarung ohne Verschulden des Arbeitnehmers unterbleibt.
Legt eine Klausel fest, dass der Arbeitnehmer am jeweils gültigen Bonussystem und/oder am Deferral Plan der Gesellschaft für außertarifliche Angestellte "teilnimmt", spricht diese Formulierung deutlich dafür, dass ein Rechtsanspruch auf eine solche Teilnahme und die sich hieraus ergebende Leistung besteht. Dabei soll es dem Arbeitgeber überlassen bleiben zu bestimmen, ob für das jeweilige Geschäftsjahr ein Bonus oder ein Deferral Award oder eine Kombination aus beiden Leistungsarten...