Rz. 335
Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt keine "absoluten" Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Danach bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht. Eine außerordentliche Kündigung kann fristlos, aber auch mit Auslauffrist erklärt werden. Die fristlose Kündigung wird mit ihrem Zugang wirksam, die mit Auslauffrist ausgesprochene Kündigung zu dem in ihr angegebenen Zeitpunkt. Die gewählte Auslauffrist kann der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen. Der Kündigende muss bei Ausspruch der Kündigung klarstellen, ob er eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist oder eine ordentliche Kündigung erklären will. Während eine ordentliche Kündigung vertraglich ausgeschlossen werden kann, ist das Recht zur außerordentlichen Kündigung für beide Vertragspartner unabdingbar.
Die Angabe des Kündigungsgrundes ist nur in Berufsausbildungsverhältnissen Wirksamkeitsvoraussetzung einer außerordentlichen Kündigung. Allerdings hat der Adressat einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 2 S. 3 BGB einen Anspruch darauf, dass ihm die Kündigungsgründe unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), schriftlich mitgeteilt werden.
Rz. 336
Eine außerordentliche Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung hierfür ein wichtiger Grund bestand. Ein wichtiger Grund ist nach § 626 Abs. 1 BGB dann gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Praktisch systematisiert man entweder nach den Auswirkungen der Kündigungstatsachen, dh nach Vertragsverletzungen im Leistungsbereich (Verletzung der Arbeits- und Vergütungspflicht), im betrieblichen Bereich (Störungen der Betriebsordnung oder des Betriebsablaufes, der betrieblichen Verbundenheit usw.), im Vertrauensbereich (durch Störung der gegenseitigen Achtung, der Treuepflicht und Fürsorgepflicht) oder im Unternehmensbereich. Die Rechtsprechung systematisiert die Kündigungsgründe nach der Art der Kündigungstatsachen, also ob diese in der Person oder dem Verhalten des Gekündigten, in der Person des Kündigenden, sonstigen objektiven Umständen, in betriebsbedingten Gründen usw. liegen. Die nach dem Ausspruch der Kündigung oder während ihrer Übermittlung entstehenden Gründe können nur zur Rechtfertigung einer neuen Kündigung herangezogen werden. Allerdings können die neu entstandenen Kündigungsgründe im Rahmen der Interessenabwägung eine Rolle spielen, wenn sie das frühere Verhalten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. auch strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitsgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat.
Rz. 337
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen ausgesprochen werden; sie muss innerhalb der Frist zugehen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen sichere Kenntnis erlangt. Liegt der Kündigungssachverhalt nicht offen zutage, sondern ist eine Aufklärung notwendig, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, beginnt die Frist, wenn die Aufklärung mit der gebotenen Beschleunigung beendet und eine Anhörung des zu Kündigenden erfolgt. Im Allgemeinen wird die Anhörung binnen Wochenfrist durchgeführt werden müssen.
Rz. 338
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vor Ausspruch einer Kündigung im Allgemeinen eine Abmahnung notwendig. Hiervon kann allenfalls bei Störungen im Vertrauensbereich abgesehen werden, da ein einmal zerstörtes Vertrauen durch die Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann.
Rz. 339
Der kün...