Rz. 367
Nach § 1 Abs. 2 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Eine personenbedingte Kündigung liegt vor, wenn die Störung vom Arbeitnehmer nicht gesteuert werden kann, z.B. bei einer schweren Erkrankung, bei konstitutionell bedingtem Nachlassen der Leistungsfähigkeit wegen Trunk- und Drogensucht o.Ä.
Rz. 368
Der praktische Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers. Zu unterscheiden sind die Fälle dauernder Leistungsunfähigkeit, der lang andauernden Leistungsunfähigkeit und der Fall häufiger Kurzerkrankungen. Die Kündigung wegen Krankheit wird – wenn auch in engen Grenzen – für zulässig gehalten.
Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist aus Anlass einer Langzeiterkrankung erst dann sozial gerechtfertigt, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt – erste Stufe –, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist – zweite Stufe – und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen – dritte Stufe.
Rz. 369
Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. Steht die krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit eines Arbeitnehmers fest, kann es auf etwaige Vertretungsmöglichkeiten nicht mehr ankommen. Das gilt auch dann, wenn die Vertretungsmöglichkeit durch befristet eingestellte Arbeitnehmer über 24 Monate hinaus möglich ist, weil eine betriebliche Fachgruppe besteht, die ausdrücklich auch zur Vertretung langzeitig erkrankter Arbeitnehmer dienen soll.
Rz. 370
Zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen ist zunächst – erste Stufe – eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen, und zwar bezogen auf den Kündigungszeitpunkt, objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr über steigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Liegt eine solche erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Dabei ist u.a. zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind und ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist. Ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten ggf. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers in die Abwägung einzubeziehen.
Rz. 371
Häufige Kurzerkrankungen können ein Dauertatbestand sein, der den Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ständig neu in Gang setzt, sobald und solange wie sie den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulassen und damit eine negative Gesundheitsprognose begründen. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren. Auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen. Kündigungsgrund ist dabei nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf...