Rz. 155
Zwangsläufig wenden sich Eigentümer, die im Bereich ihrer Sondernutzungsflächen oder ihres Sondereigentums eine Ladestation einrichten wollen, zunächst an den Verwalter. Dass der Verwalter nicht als Rechtsberater fungieren muss, wurde oben schon erwähnt (→ § 4 Rdn 84). Praktisch steht der Verwalter meistens vor der Frage, ob er das individuelle Anliegen zum Anlass nehmen sollte, Überlegungen für eine "große" Lösung voranzutreiben. Es ist zwar grundsätzlich fast immer sinnvoll, Planungen mit dem Ziel einzuleiten, dass möglichst viele oder gar alle Stellplätze sich an eine Ladeinfrastruktur anschließen können. Diese Tatsache sollte den Verwalter aber nicht davon abhalten, dem Verlangen eines Einzelnen auf Gestattung der Errichtung einer Wallbox ohne weiteres nachzukommen und die Beschlussfassung zu ermöglichen, wenn eine "große Lösung" noch nicht beschlussreif ist. Denn die Gestattung einzelner Ladestationen führt weder zu einer Beeinträchtigung der übrigen Eigentümer, noch schließt sie spätere gemeinschaftliche Lösungen aus; vorausgesetzt, der Gestattungsbeschluss ist entsprechend formuliert. Wenn die nächste "ordentliche" Versammlung nicht ohnehin in naher Zukunft stattfindet, ist zum Zweck der Gestattung einer individuellen Ladestation ggf. eine außerordentliche Versammlung einzuberufen. Weil niemand in persona erscheinen muss (§ 2 Rdn 38, → § 7 Rdn 97), kann auf diese Weise schnell und problemlos ein Gestattungsbeschluss gefasst werden.
Rz. 156
Die Kosten und die Erhaltungspflicht bedürfen keiner Regelung, denn Kosten und Folgekosten der Installation trägt gem. § 21 Abs. 1 WEG sowieso der "Bauherr" oder sein Rechtsnachfolger; und zur Erhaltung seiner Ladestation ist der Eigentümer als solcher verpflichtet. Das gilt auch, wenn man der Ladestation die Eigenschaft als Gebäudebestandteil absprechen sollte; dann wäre sie kein Sondereigentum i.S.v. § 5 WEG, sondern Mobiliareigentum (des Errichters). Es ist weder üblich noch erforderlich, den Abschluss einer gesonderten Haftpflichtversicherung für den Betrieb einer fachtechnisch einwandfreien und zugelassenen Anlage zu verlangen. Auch die Verkehrssicherungspflicht trifft ohne besondere Regelung den Eigentümer und ist in diesem Kontext identisch mit der ohnehin bestehenden Pflicht zur fachgerechten Installation und Erhaltung.
Rz. 157
Muster 4.12: Beschluss der Gestattung einer einzelnen Ladestation
Muster 4.12: Beschluss der Gestattung einer einzelnen Ladestation
1. Die Gemeinschaft gestattet Herrn A auf sein Verlangen nach Maßgabe der folgenden Regelungen die Anbringung einer Wallbox (Elektroladestation) an seinem Stellplatz Nr. 14 und den Anschluss an das hausinterne Stromnetz.
2. Installiert wird eine Wallbox der Fa. Stromglück GmbH, Typ Compact Mini (3,7 kW 16A 1-phasig), Farbe Grau, nach Art des Bildes, das in der heutigen Versammlung vorliegt und das als Anlage zum Protokoll genommen wird. Die Installation erfolgt durch eine Fachfirma an der Rückwand des Stellplatzes. Die zur Wallbox führende Elektroleitung wird zunächst im Winkel zwischen Decke und Wand und schließlich mittels einer Kernlochbohrung zum Technikraum geführt und dort mit dem Elektro-Hausanschluss verbunden; die genaue Leitungsführung ist der Skizze zu entnehmen, die in der heutigen Versammlung vorliegt und das als Anlage zum Protokoll genommen wird. [Optional: Die hausinterne Elektroanlage wird im Hinblick auf die durch die Ladestation steigenden Leistungsanforderungen mittels der von Herrn A zu beauftragenden Maßnahmen ertüchtigt, die dem Angebot der Elektrofix GmbH vom 17.3.2022 zugrunde liegen; das Angebot liegt in der heutigen Versammlung vor und wird das als Anlage zum Protokoll genommen.] Die Anlage ist so einzurichten, dass bei drohender Überlastung des Hausnetzes die Stromzufuhr zur Ladestation gedrosselt wird.
3. Die Gestattung steht unter folgender Bedingung: Die Gemeinschaft behält sich vor, eventuellen später gestellten Anträgen anderer Eigentümer auf Errichtung eine Ladestation ebenfalls zu entsprechen. In diesem Zuge kann die Gemeinschaft die Mitbenutzung der vorhandenen Leitung des Herr A anordnen. Auch kann sich durch die Genehmigung weiterer Ladestationen die für die Ladestation des Herrn A zur Verfügung stehende Stromleistung verringern. Ferner behält sich die Gemeinschaft vor, später eine gemeinschaftliche Ladeinfrastruktur einzurichten. Wenn es zu derartigen künftigen Beschlüssen kommt, ist der vorliegende Beschluss insofern auflösend bedingt, als die Gemeinschaft die Gestattung widerrufen und Herrn A darauf verweisen kann, sich an die gemeinschaftliche Ladeinfrastruktur anzuschließen.