1. Maßnahmen ohne störende Auswirkung auf das Sondereigentum
Rz. 122
In den Varianten a) und b) des obigen Beispiels (→ § 4 Rdn 114) ist Miteigentümer B mit den baulichen Veränderungen (Dachfenster bzw. Wintergarten) nicht einverstanden und möchte den Rückbau erwirken. Aus eigenem Recht kann er den Rückbau nicht durchsetzen, denn eine Störung seines Sondereigentums liegt nicht vor; insbes. stellt die optische Veränderung des Gemeinschaftseigentums keine Störung seines Sondereigentums dar. Was kann B unternehmen?
Rz. 123
Die (mangels Gestattungsbeschluss formell rechtswidrige) bauliche Veränderung ist objektiv ein irregulärer Zustand, dessen Beseitigung die Gemeinschaft verlangen und durchsetzen könnte. Auf Verlangen des B muss der Verwalter eine Beschlussfassung zu diesem Thema für die nächste Versammlung ankündigen. Die Ankündigung sollte die beiden wesentlichen in Betracht kommenden Handlungsalternativen umfassen.
Rz. 124
Muster 4.11: Ankündigung der Beschlussfassung bei unzulässigen baulichen Veränderungen
Muster 4.11: Ankündigung der Beschlussfassung bei unzulässigen baulichen Veränderungen
TOP 5: Bauliche Veränderung (Einbau von Dachflächenfenstern in der Wohnung Nr. 13 ohne Gestattungsbeschluss; oder: Bau einer Terrasse vor der Wohnung Nr. 3 ohne Gestattungsbeschluss); weiteres Vorgehen. In Betracht kommen insbesondere rechtliche Schritte zwecks Rückbaus der baulichen Maßnahme oder umgekehrt deren Genehmigung.
Rz. 125
Die Gemeinschaft kann den Rückbau beschließen. Aber muss sie es auch? Nein, weil auch das Hinnehmen der baulichen Veränderung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen kann. Das ist im Beispielsfall offenkundig, denn die bauliche Maßnahme kann gem. § 20 Abs. 1 WEG per Beschluss genehmigt (also nachträglich gestattet) werden. Die Gemeinschaft muss sich aber in der einen oder anderen Weise positionieren; Nichtstun ist normalerweise keine ordnungsmäßige Alternative mit der Folge, dass ein bloßer Negativbeschluss anfechtbar ist. "Wollen die Eigentümer von einem Rückbau einer von einem Eigentümer vorgenommenen unzulässigen baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums absehen, kann dies zwar von ihrem Ermessensspielraum erfasst sein, erforderlich ist dann aber, dass die Wohnungseigentümer ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende konkrete Alternativen zum Rückbau in eine Abwägungsentscheidung einbeziehen und dahingehende Maßnahmen in die Wege leiten." Wenn die Mehrheit nichts gegen die bauliche Veränderung einzuwenden hat, ist ihr zu empfehlen, Rechtsfrieden und -sicherheit zu schaffen, indem ein entsprechender Gestattungsbeschluss gefasst wird. Dadurch wird dem B nämlich auch die Möglichkeit eröffnet, im Wege der Anfechtung des Gestattungsbeschlusses etwaige dagegen sprechende Gründe i.S.v. § 20 Abs. 4 WEG vorzubringen. Wenn die Mehrheit der Gemeinschaft der baulichen Veränderung aber "indifferent" gegenübersteht, d.h. sie nicht gutheißt, aber auch nicht (unter Inkaufnahme des damit verbundenen Aufwands und Risikos) aktiv dagegen vorgehen will, kann sie den Miteigentümer B (dessen Zustimmung unterstellt) dazu ermächtigen, den Rückbau im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchzusetzen. Eine solche Ermächtigung entspricht genauso ordnungsmäßiger Verwaltung wie der Beschluss, als Gemeinschaft rechtliche Schritte einzuleiten. Im Rechtssinne handelt es sich übrigens um eine "Rückermächtigung", denn der Anspruch aus dem Eigentum steht im Ausgangspunkt ohnehin den Eigentümern zu; die Gemeinschaft handelt i. R. d. § 9a Abs. 2 WEG als gesetzliche Prozessstandschafterin. Die Frage, ob der Verwalter ohne Beschluss der Gemeinschaft die Ermächtigung wirksam erklären kann wird unten (→ § 10 Rdn 308) erörtert.
2. Maßnahmen mit störender Auswirkung auf das Sondereigentum
Rz. 126
In der Variante c) des obigen Beispiels (→ § 4 Rdn 114) kann von der baulichen Veränderung (Klimagerät) eine Störung des Sondereigentums des Miteigentümers B ausgehen. Ist das der Fall, hat B gem. § 18 Abs. 2 WEG einen Anspruch gegen die Gemeinschaft auf Einschreiten. Er kann nicht darauf verwiesen werden, aus eigenem Recht gegen die Störungen einzuschreiten; dies schon deshalb nicht, weil das Vorgehen gegen die störenden Auswirkungen schwieriger und weniger effektiv ist, als wenn schlicht die Beseitigung des Geräts verlangt wird. B kann also einen Beschluss entsprechend dem obigen Muster (→ § 4 Rdn 120) beantragen, wonach A zur Beseitigung aufgefordert und vorsorglich rechtliche Schritte beschlossen werden. Wird dem Antrag nicht entsprochen (und ggf. stattdessen die Maßnahme genehmigt) und auch keine alternative Lösung vorangetrieben, kann B gegen den Beschluss Anfechtungsklage erheben und di...