Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
Rz. 7
Nach § 43a Abs. 3 S. 1 BRAO darf sich der Rechtsanwalt bei seiner Berufsausübung nicht unsachlich verhalten. Unmaßgeblich ist insoweit, ob die Äußerung gegen den guten Ton oder das Taktgefühl verstößt. Auch eine überzogene oder ausfällige Kritik ist für sich genommen noch erlaubt. Nach h.M. dürfen im "Kampf um das Recht" auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzt werden.
Rz. 8
Äußerungen dürfen aber nicht – ohne durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt zu sein – unter Straftatbestände fallen, § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO, §§ 185, 186 StGB. Nach § 193 StGB können nicht nur die Äußerungen des Rechtsinhabers selbst gerechtfertigt sein, sondern auch die Äußerungen seines Rechtsanwalts, da er diesem die Wahrnehmung seiner Interessen übertragen hat.
Rz. 9
Ein Verstoß gegen §§ 185 ff. StGB im Zusammenhang mit der anwaltlichen Berufsausübung kann daher nach § 115b BRAO zu berufsrechtlichen Konsequenzen führen. Im Rahmen der Vertretung seiner Mandanten sollte der Rechtsanwalt daher darauf achten, dass die Ehrverletzungsdelikte nicht tangiert werden. Das Verbot ist tangiert, wenn der Angriff eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung im Sinne einer Diffamierung der Person darstellt.
Rz. 10
Dem Begriff der Rechtsbeugung kommt nicht die Qualität einer Formalbeleidigung zu, wenn er im Zusammenhang mit einem bestimmten Urteil steht, in sachliche Einwände eingebettet ist und damit als – scharfe – Zusammenfassung der Urteilskritik steht. Die Hinzufügung eines Urteils als "so falsch, dass man sich wundert, dass ausgebildete Juristen in der Rechtsfindung beteiligt waren", bildet noch keine mit dem Sachlichkeitsgebot unvereinbare Fremdbeleidigung. Ein Verstoß ist aber gegeben, wenn der Rechtsanwalt seinen Mandanten als das "Opfer krimineller richterlicher Energie" und die richterlichen Ausführungen als "kriminelle Krönung" bezeichnet. Dasselbe kann gelten, wenn ein Rechtsanwalt einen Anwaltskollegen z.B. "zumindest was den Zugang anwaltlicher Schreiben angeht, für einen Lügner und Betrüger" hält. Ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot liegt vor, wenn dem gegnerischen Prozessbevollmächtigten durch die Wendung "sollte das juristische Handwerkszeug zunächst einmal, soweit hierzu imstande, benutzt werden" die Fähigkeit abgesprochen wird, diesen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Beim Vorliegen von Schmähkritik ("Winkeladvokat" oder "fachlich und charakterlich unterbelichteter Kollege") findet eine Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsäußerung nicht statt. Eine so gravierende Ehrverletzung verdrängt die Meinungsfreiheit absolut. Auch darf ein Rechtsanwalt in einem "Fahndungsaufruf" bei Facebook keine Kraftausdrücke verwenden.
Rz. 11
Mitnichten ist dem Mandanten damit geholfen, einen außergerichtlichen Brief (wie später auch einen Schriftsatz an das Gericht) mit Spott, Polemik, ausfallenden Äußerungen, persönlichen Angriffen, bösartigen Bemerkungen oder Ähnlichem zu spicken. Dies dürfte vielmehr als unprofessionelles Verhalten zu qualifizieren sein. Es mag zwar Mandanten geben, die Wert darauf legen, es dem Gegner – verbal – "einmal richtig zu zeigen". Dem sollte jedoch nicht nachgekommen, vielmehr darauf hingewiesen werden, dass dies mit dem anwaltlichen Berufsrecht nicht bzw. schwer vereinbar wäre. Außerdem will anschließend kein Richter derartige Ausführungen zur Kenntnis nehmen. Für die Erfolgsaussichten eines eventuellen, späteren Prozesses ist daher eine vorgerichtliche unflätige Korrespondenz eher kontraproduktiv.
Rz. 12
Dem Ausdruck und dem Stil kommt als Arbeitsmittel des Rechtsanwalts besondere Bedeutung zu. Seine Mitteilungen kommen sowohl bei dem Mandanten als auch bei Richtern und Gegnern umso besser an, desto klarer und verständlicher sich der Rechtsanwalt ausdrückt. In der Allgemeinheit wird vielfach der "Kanzleistil" der Juristen gerügt. Wohl zu Recht, andernfalls würden weniger Stilblütensammlungen von missglückten Formulierungen existieren.