a) Betroffene Einrichtungen

 

Rz. 47

Jeder Wohnungseigentümer kann aus § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG bauliche Veränderungen verlangen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Die Reichweite dieser Vorschrift ist erheblich; sie erfasst nicht nur die Lademöglichkeit im engeren Sinne, sondern die gesamte Infrastruktur von der Verlegung der Versorgungsleitungen zur Ladebox über die Verstärkung der vorhandenen Stromversorgung bis hin zu Telekommunikationseinrichtungen zur sinnvollen Nutzung der Ladestellen. Ebenso ist die Anpassung von Zählerschränken etc. an die erweiterte Nutzung von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG erfasst.[38] Dabei begreift der Gesetzgeber die Herstellung der Lademöglichkeit nicht als statischen Vorgang wie seinerzeit die Herstellung von Fernsprech-, Rundfunkempfangs- und Energieversorgungsanlagen nach § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG a.F. Vielmehr unterfällt nach dem Bekunden der Gesetzesmaterialien nach der erstmaligen Herstellung einer Ladeeinrichtung auch deren Verbesserung einem Verlangen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG.[39] Die Vorschrift geht ferner über bestehende Regelwerke wie das EmoG und Ladesäulenverordnung hinaus, als sowohl technische Weiterentwicklungen der Ladetechnik als auch weitere, etwa im EmoG nicht genannte Elektrofahrzeuge von § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG erfasst sind.[40]

[38] BT-Drucks 19/18791, S. 62.
[39] BT-Drucks 19/18791, S. 61.
[40] BT-Drucks 19/18791, S. 62.

b) Kapazitätsprobleme

 

Rz. 48

Der Gesetzgeber erkennt in den Materialien das Problem, dass die vorhandene Infrastruktur nicht zur Versorgung aller oder zumindest der ladewilligen Wohnungseigentümer ausreicht. Dem begegnet er einerseits gesetzesimmanent, indem er die Verstärkung als bauliche Veränderung nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG ansieht, die jeder Wohnungseigentümer verlangen kann. Da ein entsprechender Beschluss allerdings die Kostenfolge des § 21 Abs. 1 S. 1 WEG nach sich zieht, wird es häufig bei der für die E-Mobilität unzureichenden Ladeinfrastruktur bleiben.[41] Für diesen Fall sieht die Gesetzesbegründung eine Neuerung vor: Statt, wie nach bisheriger Auffassung bei ungenügenden Kapazitäten, soll die gemeinschaftliche Einrichtung nicht insgesamt unbenutzt bleiben[42] bzw. ein Antrag nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG ausgeschlossen sein.[43] Vielmehr sollen die vorhandenen Kapazitäten gleichmäßig verteilt werden, was häufig auf dasselbe hinauslaufen wird, da kurze Ladezeiten oder längere in großen Zeitabständen niemandem helfen.

 

Rz. 49

 

Praxistipp

Ein häufiges Problem bei der Versorgung einer Vielzahl ladewilliger Wohnungseigentümer wird das öffentliche Versorgungsnetz sein. Dieses Defizit lässt sich mit den Möglichkeiten des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG nicht beheben. Denn diese Vorschrift gestattet nur bauliche Veränderungen, also Maßnahmen im Gemeinschaftseigentum. Selbst die mittelbare Beteiligung an Verbesserungen des öffentlichen Versorgungsnetzes durch finanzielle Beiträge kann auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG nicht beschlossen werden, geschweige denn bauliche Maßnahmen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft.

[41] Denkbar ist allerdings eine gemeinsame Kostentragung mehrerer Benutzer der verbesserten Infrastruktur, s. BT-Drucks 19/18791, S. 62.
[42] So zum Anschluss an einen Kamin, der entsprechende Einrichtungen in anderen Wohnungen unmöglich macht, OLG Hamburg ZMR 2001, 728; AG München ZMR 2013, 141 f.; zur selben Problematik bei Heizungskörpern OLG Schleswig NJW-RR 1993, 24.
[43] BT-Drucks 19/18791, S. 62.

c) Abstellmöglichkeit bei der Ladeeinrichtung

 

Rz. 50

Die Gesetzesmaterialien gehen implizit von einer Lademöglichkeit in Reichweite der durch Sondernutzungsrecht oder Sondereigentum individuell zugewiesenen Stellplatzes aus. Denn sie stellen das Recht eines Wohnungseigentümers, sein Fahrzeug während des Ladevorgangs im Gemeinschaftseigentum abzustellen, ausdrücklich in Abrede.[44] Dem ist insoweit zuzustimmen, als über § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG auch zum Zwecke der E-Mobilität kein Sondernutzungsrecht begründet werden kann. Denn aus dieser Vorschrift kann nur die Fassung eines Beschlusses, nicht aber der Abschluss einer Vereinbarung verlangt werden, die zur Begründung eines Sondernutzungsrechtes erforderlich wäre. Hingegen leuchtet nicht ein, wieso nicht unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes die zeitweise Nutzung des Gemeinschaftseigentums beschlossen werden kann. Eine solche Gebrauchsregelung ist ohne weiteres von der Beschlusskompetenz des § 19 Abs. 1 WEG erfasst und könnte wohl sogar nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG verlangt werden, wenn eine geordnete Nutzung der Ladestelle ansonsten nicht gewährleistet ist.

 

Rz. 51

 

Praxistipp

Selbst die Herstellung einer noch nicht vorhandenen Abstellmöglichkeit dürfte die Eigentümerversammlung auf Verlangen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG beschließen können. Denn zu den baulichen Veränderungen, die nach dieser Vorschrift privilegiert sind, gehört auch die Schaffung von Stellplätzen, auf denen die Fahrzeuge während des Ladevorgangs abgestellt werden können.

[44] BT-Drucks 19/18791, S. 62.

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