a) Beschlussantrag über die Durchführung der Maßnahme dem Grunde nach
Rz. 64
§ 20 Abs. 2 WEG sieht ein zweistufiges Vorgehen des Anspruchsinhabers vor. Hat der Wohnungseigentümer dem Grunde nach einen Anspruch auf eine bestimmte bauliche Veränderung, besteht über das "Ob" ihrer Durchführung kein Ermessen der Eigentümerversammlung. Der Inhaber des Anspruchs kann somit unmittelbar die Beschlussfassung über diese bauliche Veränderung dem Grunde nach verlangen. Wird der Beschluss nicht gefasst, kann er ihn im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ersetzen lassen. Den ablehnenden Beschluss kann er anfechten, muss es aber nicht, da Negativbeschlüsse nach Rechtsprechung des BGH keine Bindungswirkung entfalten. Anderes gilt für eine Beschlussfassung, die eine andere oder ungenügende bauliche Veränderung gestattet. Dabei handelt es sich um einen positiven Beschluss, der Bindungswirkung entfaltet und daher angefochten werden muss.
Rz. 65
Praxistipp
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung empfiehlt es sich u.U. für die Gegner einer baulichen Veränderung, statt eines Negativbeschlusses eine offenkundig ungenügende bauliche Veränderung zu gestatten. Denn nach Rechtsprechung des BGH erwächst dieser Beschluss im Gegensatz zum Negativbeschluss in Bestandskraft, wenn er nicht angefochten wird.
b) Beschlussfassung über die konkrete Ausführung der baulichen Veränderung
Rz. 66
§ 20 Abs. 2 S. 2 WEG ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine getrennte Beschlussfassung über das "Ob" und das "Wie" der baulichen Veränderung vorsieht. Dies erscheint konsequent, wenn man einen Anspruch auf die Beschlussfassung über die bauliche Veränderung dem Grunde nach bejaht. Denn dann besteht nur noch hinsichtlich ihrer konkreten Ausführung ein Ermessen. Im Übrigen ist die Vorschrift inhaltslos. Dass die Beschlussfassung über die Durchführung der baulichen Veränderung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen muss, ist schlechterdings selbstverständlich. Dafür fehlt hier der Verweis auf die Angemessenheit der baulichen Veränderung, der aus § 20 Abs. 2 S. 1 WEG auch in den Zusammenhang der konkreten Durchführung übertragen werden muss. Entspricht der Beschluss der Eigentümerversammlung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung oder ist die gestattete bauliche Veränderung nicht angemessen, muss ihn der Inhaber des Anspruchs aus § 20 Abs. 2 WEG im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG ersetzen lassen, ggf. in Verbindung mit einer Anfechtung des ungenügenden Beschlusses. Insoweit gelten die oben genannten Grundsätze.
c) Kombinierter Antrag über das "Ob" und das "Wie"
Rz. 67
Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 WEG sind kombinierte Anträge über Grund und konkrete Ausführung der baulichen Veränderung nicht vorgesehen. Diese kommen aber jedenfalls dann in Betracht, wenn auch auf der zweiten Stufe der Beschlussfassung eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten ist. Erstaunlicherweise erwecken die Gesetzesmaterialien den Eindruck, das Gericht übe schon nach der Ersetzung des Grundbeschlusses nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG sein Ermessen über die konkrete Durchführung der baulichen Veränderung aus. Dann wäre im prozessualen Verfahren der kombinierte Antrag über "Ob" und "Wie" der Regelfall. Dabei dürfte es sich indessen um eine missverständliche Formulierung handeln. Das Gericht tritt im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG nur an die Stelle der Eigentümerversammlung. Ersetzt es deren Beschluss über das "Ob" der baulichen Veränderung, kann es nicht sogleich sein Ermessen über deren konkrete Durchführung ausüben. Dieses steht der Eigentümerversammlung ebenso zu, als hätte sie den Grundbeschluss selbst gefasst. Eine kombinierte Antragstellung und eine entsprechende Beschlussfassung kommen also nur in Betracht, wenn das Ermessen der Eigentümerversammlung auch auf der zweiten Stufe der Beschlussfassung auf Null reduziert ist. Anderenfalls wäre es fehlerhaft, wenn das Gericht auch über die zweite Stufe durchentscheidet. Es muss der Eigentümerversammlung nach rechtskräftiger Ersetzung des Beschlusses über den Grund der baulichen Veränderung die Entscheidung über ihre konkrete Durchführung überlassen. Eine sogleich darauf gerichtete Klage ist daher als unzulässig abzuweisen. Erst nach Ablehnung oder ungenügender Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die Durchführung der baulichen Veränderung darf das Gericht in einem zweiten Prozess sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Eigentümerversammlung setzen und auch den zweiten Beschluss ersetzen.
d) Bauliche Veränderung ohne Beschluss
Rz. 68
Praktisch erhebliche Bedeutung dürften sehr bald die Fälle erlangen, in denen zwar ein Anspruch aus § 20 Abs. 2 WEG auf eine Beschlussfassung besteht, die bauliche Veränderung aber ohne eine solche durchgeführt wird. Hier besteht eine ähnliche Situation wie bei einer baulichen Veränderung, die keinen Miteigentümer beeinträchtigt bzw. nach Zustimmung der beeinträchtigten Miteigentümer ohne Beschlussfassung durchgeführt wird. Wie dort kollidieren die formellen Anforderungen an eine bauliche Veränderung mit der materiellen Berechtigung hierzu. Die Lösung dieses Konfliktes dürfte wie dort darin bestehen, dass...