1. Ausgangslage
Rz. 14
Nach früherem Recht ersetzte der bestandskräftige Mehrheitsbeschluss, der eine bauliche Veränderung genehmigte, die Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer. Anders als bei der bloßen Verjährung oder Verwirkung von Ansprüchen aus § 1004 BGB beseitigt ein bestandskräftiger Beschluss den Makel der fehlenden Zustimmung durch die beeinträchtigten Miteigentümer vollständig. Dies wird dem Sinn nach für das neue Recht ebenfalls gelten, allerdings mit der Modifikation, dass es sich bei dem Beschluss nicht um einen Ersatz der Gestattungen nach § 20 Abs. 3 WEG, sondern um die eigentliche Legalisierung der baulichen Veränderung handelt. Im Ergebnis ist als anders als bei der Verjährung von Rückbauansprüchen nicht nur das Verlangen auf Beseitigung ausgeschlossen. Die bauliche Veränderung ist vielmehr aufgrund des Beschlusses im vollen Umfang rechtmäßig. Geht das Gebäude oder zumindest der Teil mit der baulichen Veränderung etwa unter, kann sie der betroffene Wohnungseigentümer ohne weiteres wieder errichten. Auch löst ihre Beeinträchtigung Abwehransprüche aus §§ 1004, 823 BGB aus.
2. Differenzierung zwischen Gestattung dem Grunde nach und Ausführung
a) Bestimmtheitsanforderungen nach früher h.M.
Rz. 15
Nach früherem Recht unterlag der Beschluss über eine bauliche Veränderung strengen Anforderungen an die Bestimmtheit. Ort, Größe, Konstruktion, Material und Farbe der baulichen Veränderung müssen dem Beschluss zweifelsfrei zu entnehmen sein. Andernfalls riskierte der Umbauwillige mangels Bestimmtheit zumindest die Anfechtbarkeit der Genehmigung, wenn eine durchführbare Regelung noch erkennbar war. War überhaupt nicht mehr ersichtlich, an welchem Ort welche Veränderung in welchem Umfang erfolgen darf, wurde die Zustimmung sogar als nichtig angesehen. Noch gravierender war, dass der Urheber der baulichen Veränderung erfolgreich mit Rückbauansprüchen überzogen werden konnte, wenn der Beschluss nicht hinreichend bestimmt war. Denn ein unbestimmter Beschluss gibt ihm gerade keine Rechtsgrundlage für eine bestimmte bauliche Veränderung.
b) Rechtsprechungsänderung des BGH
Rz. 16
Mit dieser Rechtsprechung hat jüngst der BGH gebrochen. Danach sollte ein wirksamer Beschluss über eine bauliche Veränderung bereits dann vorliegen, wenn das "Ob" der baulichen Veränderung geregelt ist. Dass er sich zum "Wie" nicht äußert, steht dem nicht entgegen. Vielmehr können die Wohnungseigentümer einen konkretisierenden Beschluss nur dann erfolgreich anfechten, wenn sie sich gegen die konkrete Ausführung, nicht gegen die Maßnahme als solche wenden. Teilweise verlangte der BGH sogar, dass dem Umbauwilligen Gelegenheit gegeben wird, eine Genehmigung durch Beschluss herbeizuführen. Jedenfalls bleibt ihm die Möglichkeit, bis zur letzten mündlichen Verhandlung einen solchen Beschluss herbeizuführen.
c) Gestattung dem Grunde nach
Rz. 17
Diese Rechtsprechung legt der Gesetzgeber zugrunde, ohne dass dies freilich aus dem Gesetzestext recht deutlich wird. Erst im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung in § 20 Abs. 2 S. 1 WEG unterscheiden die Gesetzesmaterialien zwischen dem "Ob" und dem "Wie" der Maßnahme. Demnach muss der einzelne Wohnungseigentümer nur einen Beschluss beantragen, der die bauliche Veränderung dem Grunde nach gestattet. Über das "Wie" der Maßnahme entscheiden die Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 WEG später im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.
d) Übertragbarkeit auf jede Beschlussfassung über bauliche Veränderungen
Rz. 18
Diese Aufspaltung nach dem "Ob" und dem "Wie" der Maßnahme kann natürlich nicht nur im Rahmen des Verlangens baulicher Veränderungen aus § 20 Abs. 2 WEG Geltung beanspruchen. Abgesehen davon, dass der BGH diese Praxis schon bisher allgemein, nicht nur bei einem Anspruch auf eine konkrete Beschlussfassung billigte, folgt dies aus allgemeinen Grundsätzen des Beschlussrechtes. Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses kann nicht davon abhängen, wer auf welcher Grundlage den Beschlussantrag stellt. Kann der einzelne Wohnungseigentümer, dem ein Anspruch hierauf zusteht, im Rahmen des § 20 Abs. 2 WEG eine solche Genehmigung dem Grunde nach beantragen, gilt dies auch für alle anderen Wohnungseigentümer bei sonstigen baulichen Veränderungen. Ansonsten hinge die Rechtmäßigkeit eines solchen Beschlusses von der Person des beantragenden Wohnungseigentümers oder der Grundlage für die Legitimation einer baulichen Veränderung ab.
e) Folgen für die Praxis
Rz. 19
Im Ergebnis werden Beschlussanträge auf der ersten Stufe, der Gestattung dem Grunde nach, erheblich erleichtert. D...