1. Bedeutung
a) Voraussetzung einer Beschlussfassung
Rz. 74
Der Tatbestand einer Veränderung ohne Beeinträchtigung hat im neuen Recht erheblich an Bedeutung verloren. Er wird nach dessen Vorgaben nur noch bei Veränderungen im Sondereigentum unmittelbar relevant, da dort Maßnahmen, die keinen Miteigentümer mehr als unerheblich beeinträchtigen, gemäß § 13 Abs. 2 WEG ohne Beschlussfassung der Miteigentümer durchgeführt werden können. Beim Gemeinschaftseigentum führt das Fehlen einer Beeinträchtigung nicht unmittelbar zur Rechtmäßigkeit der baulichen Veränderung. Sie begründet nur einen Anspruch auf einen entsprechenden Beschluss, der sie gestattet.
Rz. 75
Praxistipp
Die Beeinträchtigung nach § 20 Abs. 3 WEG ist nicht zu verwechseln mit der unbilligen Benachteiligung gemäß § 20 Abs. 4 WEG. Letztere verlangt nicht nur weit intensivere Störungen als die einfache Beeinträchtigung. Ihr Vorliegen führt im Gegensatz zur einfachen Beeinträchtigung auch zur Anfechtbarkeit eines Beschlusses nach § 20 Abs. 1 WEG. Im Übrigen begründet eine Beeinträchtigung nach neuem Recht keinen Rückbauanspruch, wenn die bauliche Veränderung durch Beschluss gestattet wurde. Selbst eine Beschlussfassung ist nicht alleine aufgrund einer Beeinträchtigung anfechtbar, sondern nur bei einer unbilligen Benachteiligung gemäß § 20 Abs. 4 WEG.
b) Konkurrenzen
Rz. 76
Das Einverständnis der beeinträchtigten Wohnungseigentümer kann auch eine bauliche Veränderung betreffen, die nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG privilegiert ist. Dann kann der umbauwillige Wohnungseigentümer wählen, ob er nach § 20 Abs. 2 S. 1 WEG oder nach § 20 Abs. 3 WEG vorgeht. Das Vorgehen nach § 20 Abs. 3 WEG kann insoweit Vorteile bieten, als der umbauwillige Wohnungseigentümer eine konkrete bauliche Veränderung verlangen kann und nicht von einer Ermessenausübung der Mehrheit in der Eigentümerversammlung gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 WEG abhängt. Die Kostenlast bleibt jedenfalls gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 WEG bei ihm. Die Wohnungseigentümer können die Durchführung dieser baulichen Veränderung aber auch ohne diesbezügliches Verlangen nach § 20 Abs. 1 WEG beschließen. Dies führt einerseits zur Verteilung der Kostenlast auf alle Miteigentümer nach 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG oder (bei einer geringeren als der doppelt qualifizierten Mehrheit) immerhin auf alle dem Beschluss Zustimmenden nach § 21 Abs. 3 S. 1 WEG, andererseits zum erweiterten Mitbenutzungsrecht nach § 16 Abs. 1 S. 3 WEG oder wenigstens nach § 21 Abs. 3 S. 2 WEG.
2. Vorliegen einer baulichen Veränderung ohne Beeinträchtigung
Rz. 77
Die Frage, ob eine Beeinträchtigung vorliegt, richtet sich mangels neuer Vorgaben nach denselben Kriterien wie nach altem Recht. Denn § 20 Abs. 3 WEG knüpft in Wortlaut und Inhalt an den Begriff der Beeinträchtigung in § 14 Nr. 1 WEG a.F. an. Es kann also auf die Rechtsprechung zu Beeinträchtigung gemäß § 14 Nr. 1 WEG a.F. zurückgegriffen werden.
3. Einverständnis (§ 20 Abs. 3 WEG)
a) Rechtsnatur
Rz. 78
§ 20 Abs. 3 WEG redet anders als § 22 Abs. 1 WEG a.F. nicht mehr von einer Zustimmung zu der baulichen Veränderung, sondern vom Einverständnis hiermit. Damit soll klargestellt werden, dass es sich hierbei nicht um eine Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft und somit nicht, wie nach früherer Auffassung, um eine Willenserklärung handelt, sondern um das Einverstandensein mit einem Rechtseingriff und somit um eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung. Dies stellt in Hinblick auf Form und Inhalt des Einverständnisses keine Änderung dar. Insoweit kann auf Rechtsprechung und Kommentierung zu § 22 Abs. 1 WEG a.F. Bezug genommen werden.
b) Willensmängel
Rz. 79
Mangels klarer Stellungnahme bleibt offen, ob der Gesetzgeber mit der Qualifikation des Einverständnisses als rechtsgeschäftsähnliche Handlung eine andere Behandlung im Falle von Willensmängeln anstrebt. Bislang ging man in diesen Fällen von der Möglichkeit einer Anfechtung gemäß §§ 119 ff. BGB aus. Die Frage verliert freilich an Bedeutung, da die Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer nicht unmittelbar zur Rechtmäßigkeit der baulichen Veränderung führt. Dies bewirkt erst der auf dieser Grundlage gefasste Beschluss. Folglich genügt eine Anfechtung wegen Willensmängeln von vorneherein nicht mehr, um die Rechtmäßigkeit der baulichen Veränderung zu beseitigen. Dies setzt zusätzlich die fristgerechte Anfechtung des Gestattungsbeschlusses voraus.
4. Vorgerichtliches und prozessuales Vorgehen
Rz. 80
Liegt ein Einverständnis der beeinträchtigten Wohnungseigentümer vor, bezieht sich dies auf eine konkrete bauliche Veränderung. Der umbauwillige Wohnungseigentümer kann deren Gestattung durch Beschluss folglich sofort verlangen, ohne dass es des zweistufigen Verfahrens bedarf. Sowohl in der Eigentümerversammlung als auch, wenn der verlangte Beschluss nicht gefasst wird, vor Gericht im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG kann er die Gestattung der konkreten baulichen Veränderung verlangen, mit der seitens der beeinträchtigten Wohnungseigentümer Einverständnis besteht. Für die übrigen Wohnungseigentümer und folglich für das Gericht im Verfahren nach § 44 Abs. 1 S. 2 WEG besteht kein Ermessenss...