Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 26
Was unter einem Versicherungsfall zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. Es ist also auf der Grundlage des Versicherungsscheins zu prüfen, welche ARB vereinbart sind. Sodann ist zu prüfen, wie dort geregelt ist, wann der Versicherer leistungspflichtig ist.
Bei arbeitsrechtlichen Mandaten wird regelmäßig der Versicherungsschutz nach der Generalklausel zu prüfen sein (vgl. § 14 Abs. 3 ARB 75, § 4 Abs. 1c ARB 94/2000, § 4 Abs. 1 ARB 2010). Danach gilt der Versicherungsfall von dem Zeitpunkt an als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer, der Gegner oder ein Dritter einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
Zitat
§ 4 Abs. 1 ARB 2010 lautet:
Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles
a) im Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2a) von dem Schadenereignis an, das dem Anspruch zugrunde liegt;
b) aa) im Beratungs-Rechtsschutz für Familien-, Lebenspartnerschafts- und Erbrecht gemäß § 2k) Absatz 1 und 2 sowie im Rechtsschutz in Ehesachen nach § 2l) von dem Ereignis an, das die Änderung der Rechtslage des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person zur Folge hat; bb) im Betreuungsrechtsschutz gemäß § 2k) Absatz 3 mit Einleitung des Betreuungsverfahrens;
c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.
Es ist also zunächst zu prüfen, welche Art von Versicherungsfall in Betracht kommt (Schadenersatzrechtsschutz, Beratungsrechtsschutz oder alle sonstigen Fälle). Arbeitsrecht fällt in aller Regel unter "in allen anderen Fällen" (§ 4 Abs. 1c ARB 2010; gleichlautend § 4 Abs. 1c ARB 2017).
Nur wenn ein Versicherungsfall vorliegt (Eintritt eines Rechtsschutzfalles), muss die Rechtsschutzversicherung leisten. Wenn der Versicherungsfall zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die Versicherung noch nicht bestand oder zu dem die Versicherung nicht mehr bestand, muss die Rechtsschutzversicherung nicht leisten. Es gibt auch Versicherungsverträge, bei denen ein Verzicht auf die Einrede der Vorvertraglichkeit vereinbart ist. Das bedeutet, dass auch Versicherungsfälle, die vor Vertragsbeginn eingetreten sind, versichert sind. Voraussetzung bei den meisten Versicherern ist, dass der Vertrag mit dem betreffenden Risiko bereits seit mindestens fünf Jahren besteht. Selbst wenn der Versicherungsfall im versicherten Zeitraum eingetreten ist, dann der Versicherungsschutz aber geendet hat, muss der Anspruch auf Rechtsschutz innerhalb von drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsschutzes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung geltend gemacht worden sein (siehe z.B. § 4 Abs. 3b ARB 2010).
Wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Versicherungsfall (Verstoß "in allen anderen Fällen", beispielsweise nach § 4 Abs. 1c ARB 2010) ausgelöst hat, soll kein Rechtsschutz bestehen (siehe z.B. § 4 Abs. 3a ARB 2010). Diese Klausel zur sog. streitauslösenden Willenserklärung ist intransparent und damit rechtsunwirksam, weil unklar ist, was unter einer Rechtshandlung zu verstehen sein soll, der Begriff "ausgelöst" unklar ist und der Anwendungsbereich uferlos ist.
Beispiel:
Der Arbeitnehmer kündigt sein Arbeitsverhältnis fristgerecht mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten. Danach schließt er eine Rechtsschutzversicherung mit Arbeits-Rechtsschutz ab. Zum Ende der Kündigungsfrist, nach Ablauf der Wartezeit), verlangt der Arbeitnehmer ein qualifiziertes Zeugnis. Diesen Anspruch erfüllt der Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß.
Bislang gab es Probleme bei der Regulierung solcher Schadensfälle, weil Versicherer die Auffassung vertreten haben, die fristgerechte Eigenkündigung sei adäquat kausal für den Streit um das qualifizierte Zeugnis. Mit Verweis auf die genannte Bestimmung haben Rechtsschutzversicherer dann die Kostenübernahme verweigert.
Rz. 27
Nunmehr kommt es nicht mehr darauf an, ob der Versicherungsfall durch die Eigenkündigung oder das Verlangen nach einem qualifizierten Zeugnis den Versicherungsfall ausgelöst hat. Weil die entsprechende Bestimmung in den ARB unwirksam ist, die den Rechtsschutz ausschloss, wenn eine Willenserklärung oder Rechtshandlung, die vor Beginn des Versicherungsschutzes vorgenommen wurde, den Verstoß ausgelöst hat, sollte es diese Fälle nicht mehr geben, wenn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Schadenregulierung beachtet wird. Dieses Ergebnis überzeugt, da allein das Verlangen nach einem Zwischenzeugnis kein Versicherungsfall auslöst. Es gibt keinen Rechtssatz, dass der Arbeitgeber unrechtmäßig verhalten und den Anspruch (immer) ablehnt.
Erstreckt sich der Rechtsschutzfall über einen Zeitraum, ist regelmäßig dessen Beginn maßgeblich (siehe z.B. § 4 Abs. 2 S. 1 ARB 2010).
Bei mehreren Verstößen ist streitig, wann der Versicherungsfall als eingetreten gilt. § 4 Abs. 2 S. 2...