Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 39
Unmittelbar nach der Mandatsannahme sollte die Rechtsschutzversicherung um Deckungsschutz gebeten werden. Die Internetplattform drebis mag dieses vereinfachen, allerdings steht das Einhalten der Rechtsordnung vielen Vereinfachungen entgegen. So benötigt der Anwalt schriftliche Einwilligungen von Mandanten und Dritten. Zu diesen Dritten dürften auch die Gegenseite und deren Anwalt gehören. Wenn man als Anwalt gegenüber der anderen Seite nicht offenlegen will, dass man beratend tätig ist, wird man nicht die andere Seite anschreiben und um Einwilligung zur Datenübertragung bitten. Zudem sind in Arbeitsverträgen oft auch Geheimhaltungsklauseln enthalten, die einer Datenübertragung entgegenstehen können. Auch stehen auf Gehaltsabrechnungen eine Vielzahl vertraulicher Daten. Gerade bei rechtsschutzversicherten Arbeitgebern wird der Anwalt des Arbeitgebers dem Datenschutz zugunsten des Arbeitnehmers besondere Beachtung schenken müssen. Aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer seine Daten dem Arbeitgeber für die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stellen muss, wird man keine Berechtigung der Datenweitergabe an drebis ableiten können.
Wenngleich die Obliegenheiten nach dem Eintritt des Versicherungsfalles in der Praxis sehr großzügig gehandhabt werden, ist der Rechtsanwalt verpflichtet und der Mandant gut beraten, wenn er alle Obliegenheiten einhält.
Rz. 40
Die grenzenlose Weite der sprachlichen Fassung zu den Obliegenheiten nach dem Eintritt des Versicherungsfalles (z.B. § 15 Abs. 1a ARB 75 und § 17 ARB 2010) macht die (sichere) Erfüllung im Arbeitsrecht unmöglich. Zu denken ist beispielsweise an den Fall einer nicht begründeten arbeitgeberseitigen Kündigung. Der Arbeitnehmer muss innerhalb von drei Wochen nach dem Zugang der Kündigungserklärung Kündigungsschutzklage erheben. Erst im Prozess, zumeist erst Wochen nach der Güteverhandlung, muss der Arbeitgeber die Kündigungsgründe darlegen und gegebenenfalls beweisen. Die Zeugen werden regelmäßig im Lager des Arbeitgebers stehen. Bei einem Verhalten des Arbeitgebers, das der Arbeitnehmer als widerrechtlich ansieht (z.B. unberechtigte Kritik als Verstoß gegen § 241 BGB), liegt ein Versicherungsfall vor, auch wenn der Arbeitnehmer sich noch gar nicht dazu entschlossen hat, mit anwaltlicher Hilfe rechtlich dagegen vorzugehen. Nach § 17 ARB 2010 soll der Arbeitnehmer den Rechtsschutzfall unverzüglich anzeigen. Wenn ein Arbeitnehmer dies täte, wäre der Versicherungsverlauf voller Schadensfälle, ohne dass der Arbeitnehmer jemals einen Anwalt aufsuchen wollte. In der Praxis wird dies als "aktives Schadensmanagement" bezeichnet. Somit werden neben der Rechtsordnung durch die Obliegenheiten machtvolle Strukturen aufgebaut, mit denen Versicherer ihre Kosten reduzieren wollen und in denen das Kriterium der wirtschaftlichen Macht handlungsbestimmend sein soll. Wenn man diese Obliegenheiten nach den ARB am gesetzlichen Leitbild von Obliegenheiten nach § 82 VVG misst, dürften die ARB insoweit als nicht rechtswirksam anzusehen sein. § 82 VVG ist dabei bindend. Abweichende Versicherungsbedingungen sind nicht erlaubt, § 87 VVG.
Nach 4.1.1.3 der ARB 2012 soll der Versicherungsnehmer die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit dem Versicherer abstimmen müssen, was sich in der Praxis als Umgehung der durch § 127 VVG zwingend geschützten freien Anwaltswahl darstellt. Zudem wird der Leistungswettbewerb zwischen Rechtsanwälten durch einen Preiswettbewerb zugunsten der marktmächtigen Versicherer beeinträchtigt. Auch diese Bestimmung dürfte deshalb unwirksam sein.
Die Sanktionsregelung bei Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten ist unwirksam, wenn der Versicherer von der Möglichkeit der Vertragsanpassung gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG keinen Gebrauch gemacht hat. Der Versicherer kann deshalb bei grob fahrlässiger Verletzung vertraglicher Obliegenheiten kein Leistungskürzungsrecht gemäß § 28 Abs. 2 S. 2 VVG geltend machen.
Die Praxis verfährt regelmäßig großzügig, wobei Versicherer zwischen Anwaltskanzleien und deren Bereitschaft, die Interessen des Versicherers zu unterstützen, differenzieren dürften. Meist genügt dem Versicherer die Übersendung der Kündigungserklärung und einer Gehaltsabrechnung.
Rz. 41
Rechtsschutzversicherungen argumentieren, es sei eine Obliegenheitsverletzung, wenn der Versicherungsnehmer nicht gleich Klageauftrag erteilt. Die Rechtsprechung der Amtsgerichte war uneinheitlich. Als der Bundesgerichtshof die Rechtsfrage klären konnte, hat die das Verfahren betreibende Rechtsschutzversicherung die Revision zurückgenommen und so eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes verhindert. Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsauffassung jedoch in einem veröffentlichten Hinweisbeschluss zum Ausdruck gebracht, auf dessen Grundlage eine bedingungsgemäße Regulierung nun für den Versicherungsnehmer leichter durchsetzbar ist.
Rechtsschutzversicherungen dürfen sich nicht auf eine Klausel ihrer ARB berufen, wonach ein Versicherter i...