Rolf Schaefer, Dipl.-Jur. Malte Schaefer
Rz. 45
Die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Mandanten muss, damit das Kostenrisiko von der Rechtsschutzversicherung zu tragen ist, hinreichende Aussicht auf Erfolg bieten und darf nicht mutwillig erscheinen (vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 ARB 75; § 1 i.V.m. § 18 Abs. 1a und b ARB 94/2000; § 3a ARB 2010; Ziffer 3.4 ARB 2012). Will sich der Rechtsschutzversicherer auf fehlende hinreichende Erfolgsaussichten oder auf Mutwilligkeit berufen, hat er dies dem Versicherungsnehmer mitzuteilen und ihn auf ein unparteiliches Verfahren zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten, das er anbieten muss, hinzuweisen; § 128 VVG.
Rz. 46
Will der Versicherer die Erteilung einer Deckungszusage an fehlenden hinreichenden Erfolgsaussichten scheitern lassen, dann müssen die Versicherungsbedingungen also ein Verfahren zur außergerichtlichen Klärung vorsehen (§ 128 VVG). Als Verfahren i.S.d. § 128 VVG kommen das Schiedsgutachter-Verfahren und das Stichentscheid-Verfahren in Betracht.
Rz. 47
Nach § 128 VVG hat der Versicherer auf die Möglichkeit eines solchen Verfahrens hinzuweisen. Unterlässt der Versicherer diesen Hinweis oder sieht der Versicherungsvertrag ein solches Verfahren nicht vor, so gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall nach § 128 S. 3 VVG als anerkannt. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem nach § 129 VVG einseitig zwingenden Gesetz, auch wenn die Versicherungsbedingungen weder auf die Belehrungspflicht noch auf die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung hinweisen sollten.
Rz. 48
Welches Verfahren im Einzelfall Anwendung findet, richtet sich nach den jeweils einschlägigen ARB. In der Regulierungspraxis spielt allerdings das Schiedsgutachterverfahren keine große Rolle; es werden lediglich wenige Verfahren jährlich durchgeführt.
Rz. 49
Beim sog. Stichentscheid-Verfahren kann der Versicherungsnehmer den Rechtsanwalt veranlassen, gegenüber der Rechtsschutzversicherung eine begründete Stellungnahme zum angemessenen Verhältnis zwischen voraussichtlichem Kostenaufwand und angestrebten Erfolg (§ 18 Abs. 1a ARB 2000) oder zur hinreichenden Aussicht auf Erfolg (§ 18 Abs. 1b ARB 2000) abzugeben. Ein solcher Stichentscheid darf die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht verneinen, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht eindeutig geklärt und es angebracht ist, dass das Gericht im Hauptsacheverfahren sich mit ihr befasst. Da es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes und der arbeitsrechtlichen Instanzgerichte immer auf alle Umstände des Einzelfalles ankommt, lassen sich im Arbeitsrecht i.d.R. hinreichende Erfolgsaussichten feststellen.
Rz. 50
Die Kosten des Stichentscheids trägt nach § 18 Abs. 2 S. 1 ARB 2000 der Versicherer. Die Kosten berechnen sich nach dem Gegenstandswert. Dieser berechnet sich nach den voraussichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens. Für den Stichentscheid erhält der Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV.
Rz. 51
Eine Anrechnung der Gebühr für den Stichentscheid auf die Gebühren des Rechtsanwaltes im Hauptsacheverfahren findet nicht statt, weil es sich bei dem Stichentscheid um eine gesonderte Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG handelt.
Rz. 52
Häufig sind für die Beantwortung der Frage, ob der Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz gewähren muss, die gleichen Tatsachen entscheidend, auf die es im Hauptsacheverfahren ankommt. Früher war es herrschende Meinung, dass der Rechtsschutzversicherer dann abwarten konnte, welches Ergebnis das Hauptsacheverfahren hat oder dass der Versicherungsnehmer im Verfahren gegen seine Rechtschutzversicherung entschieden bekommt, wie die Frage zu beantworten ist, auf die es im Hauptsacheverfahren ankommt.
Rz. 53
Der Bundesgerichtshof hat für diese Fälle der so genannten Voraussetzungsidentität entschieden, dass keine Bindungswirkung anzunehmen ist. Praktisch bedeutet dies im Arbeitsrecht, dass die Rechtsschutzversicherungen Statusklagen im Rahmen hinreichender Erfolgsaussichten decken müssen.
Lässt sich ein Mandant nach Eintritt eines Versicherungsfalles bei einem Rechtsanwalt beraten, ob eine beabsichtigte Rechtsverfolgung in einem versicherten Rechtsgebiet hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, verneint der Rechtsanwalt aber diese Erfolgsaussichten, stellt sich die Frage, ob die Rechtsschutzversicherung für diese Beratung eintrittspflichtig ist. Im Ergebnis ist diese Frage zu bejahen, wobei die Argumentationswege unterschiedlich sind. In der Praxis ist diese Abrategebühr anerkannt. In Versicherungsscheinen oder in einzelnen ARB werden teilweise noch weitergehende Ansprüche geboten. Diese können auch als Teil des sog. aktiven Schadensmanagement angesehen werden.
Wenn die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels geprüft, im Ergebnis aber verneint werden, ist die Rechtsschutzversicherung auch insoweit eintrittspflichtig.