Rz. 526
Das Gericht soll gemäß § 128 Abs. 1 FamFG das persönliche Erscheinen der Ehegatten anordnen und sie anhören. Durch die Anhörung soll der Sachverhalt näher aufgeklärt, die persönliche Sichtweise der Ehegatten in ihren höchstpersönlichen Angelegenheiten geäußert und dem Gericht ein persönlicher Eindruck von den Ehegatten vermittelt werden. Deshalb geht es im Rahmen der Anhörung nicht nur um die Frage der Zerrüttung der Ehe, sondern auch um die elterliche Sorge und das Umgangsrecht, soweit gemeinschaftliche minderjährige Kinder vorhanden sind, § 128 Abs. 2 FamFG. Aus dem Wortlaut des § 128 FamFG ergibt sich bereits, dass eine Anhörung der Ehegatten nicht deshalb unterbleiben darf, weil einer der Ehegatten am Erscheinen gehindert ist oder aber in großer Entfernung zu dem Sitz des Gerichts lebt. Gemäß § 128 Abs. 3 FamFG hat in diesen Fällen eine Anhörung durch den ersuchten Richter zu erfolgen. Möglich ist die Anhörung per Videokonferenz. Ist ein Ehegatte krank, muss der Termin zur Anhörung verlegt werden. Auch wegen Säumnis kann die Anhörung nicht unterbleiben. Denn in einem solchen Fall werden dem Gericht Zwangsmittel zur Verfügung gestellt (§§ 128 Abs. 4 FamFG, 380, 381 ZPO). Dem säumigen Ehegatten werden die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt, bei wiederholtem Ausbleiben kann auch eine zwangsweise Vorführung des Ehegatten angeordnet werden.
Rz. 527
Ein Verzicht auf das Anhörungserfordernis ist nur in Ausnahmefällen möglich. Das ist etwa der Fall, wenn ein Ehegatte die Anhörung durch mehrfaches unentschuldigtes Fernbleiben verhindert. Oder auch dann, wenn ein Ehegatte ausdrücklich und endgültig erklärt hat, zur Aussage nicht bereit zu sein. Ein weiterer Ausnahmefall soll vorliegen, wenn die Anordnung des persönlichen Erscheinens ohnehin aussichtslos wäre, weil der Aufenthaltsort eines Ehegatten unbekannt ist. Schließlich auch dann, wenn eine Anhörung der Ehegatten überflüssig erscheint, weil sich die Beteiligten über die Bedeutung ihres Vorgehens bewusst sind, der Sachverhalt klar und unstreitig und eine Aussöhnung aussichtslos ist. Das gilt beispielsweise für Scheidungssachen, in denen bereits eine dreijährige Trennungsphase verstrichen ist und keine streitigen Folgesachen anhängig sind.
Rz. 528
Ausnahmen von der Anordnung des persönlichen Erscheinens beider Ehegatten und der folgenden Anhörung der Ehegatten im Scheidungstermin können also nur gemacht werden, wenn
▪ |
die Ehe unstreitig zerrüttet und eine Aussöhnung aussichtslos ist und keine streitigen Folgesachen anhängig sind; |
▪ |
ein Ehegatte unbekannten Aufenthaltsorts ist; |
▪ |
ein Ehegatte ausdrücklich und endgültig erklärt hat, zum Termin nicht zu erscheinen und eine Aussage verweigert; |
▪ |
ein Ehegatte bereits mehrfach unentschuldigt der Anhörung ferngeblieben ist. |
Liegt kein Ausnahmefall vor, darf weder die Anordnung des persönlichen Erscheinens beider Ehegatten noch die Anhörung beider Ehegatten unterbleiben.
Rz. 529
Die zu Unrecht unterbliebene Anhörung ist ein schwerer Verfahrensmangel im Sinne des § 117 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 538 Abs. 2 ZPO. Gegen einen Beschluss, die Ehescheidung beinhaltend, der trotz unterbliebener Anhörung ergangen ist, ist die Beschwerde möglich, § 117 FamFG. Der Beschluss ist vom Beschwerdegericht aufzuheben und an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, § 538 Abs. 2 ZPO.
Rz. 530
Hinweis
Die Ehegatten sollen vor Ehescheidung angehört werden. Deswegen ist ihr persönliches Erscheinen vom Gericht anzuordnen.
Nur in seltenen Ausnahmefällen kann auf die persönliche Anhörung verzichtet werden.
Wird die Ehe geschieden, ohne dass die Ehegatten angehört wurden, ist dies ein schwerer Verfahrensmangel, der die Einlegung der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss ermöglicht.