Rz. 288
Die Trennung der Ehegatten, die zuvor gemeinsam in einer Ehewohnung gelebt haben, kann sich auf die Leistungsberechtigung eines Ehegatten hinsichtlich einer Leistung nach dem 2. Sozialgesetzbuch auswirken, wenn er arbeitsuchend ist. Gemäß § 7 Abs. 1 SGB II erhält derjenige Leistungen nach dem SGB II, der das 15. Lebensjahr vollendet hat, noch keine Rente oder Pension bezieht, erwerbsfähig und hilfsbedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Hilfsbedürftig in dem vorgenannten Sinne ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann, § 9 Abs. 1 SGB II.
Rz. 289
Ein Ehegatte, der mangels Erwerbstätigkeit kein eigenes Einkommen hat und auch keine sonstigen zu berücksichtigenden Einnahmen oder Vermögen, kann damit für sich betrachtet Leistungsberechtigter nach dem SGB II sein. Solange er aber mit seinem Ehepartner gemeinsam in einer Wohnung wohnt und die eheliche Lebensgemeinschaft lebt, wird hinsichtlich des zu berücksichtigenden Einkommens nicht nur auf seine eigenen (nicht vorhandenen) Einkünfte abgestellt, sondern auch auf diejenigen seines Ehegatten. In einem solchen Fall liegt eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 SGB II vor. Es ist dann gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II bei der Einkommensermittlung auch das Vermögen des Ehegatten zu berücksichtigen.
Rz. 290
Das kann einerseits zur Folge haben, dass der Leistungsbezug wegen vorhandener Einnahmen des Ehegatten ganz wegfällt oder zumindest geringer ausfällt, als würde nur auf das Einkommen des Leistungsberechtigten abgestellt. Andererseits kann wegen nicht vorhandener Einnahmen des mit zu berücksichtigenden Ehegatten der Leistungsbezug im Verhältnis auch höher ausfallen, als bei isolierter Berechnung.
Rz. 291
Zu einer Bedarfsgemeinschaft zählen allerdings Ehegatten nur solange, als diese nicht dauernd voneinander getrennt leben, § 7 Abs. 3 SGB II. Dabei deckt sich der sozialrechtliche Begriff des Getrenntlebens mit der zivilrechtlichen Begrifflichkeit des § 1567 Abs. 1 BGB. Dementsprechend ist in dem Moment eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft beendet, in der ein (rechtlich wirksames) Getrenntleben anzunehmen ist. Die Ermittlung der für den Leistungsbezug nach SGB II zu berücksichtigenden Einnahmen erfolgt wieder unter isolierter Betrachtung der Einnahmen des Berechtigten. Dadurch sinkt oder steigt der Anspruch des jeweiligen Leistungsberechtigten.
Rz. 292
Zu beachten ist ferner, dass sich die Ehegatten im Falle einer Bedarfsgemeinschaft, in der beide Ehegatten Leistungsberechtigte sind, gegenseitig vertreten können, § 38 Abs. 1 S. 1 SGB II. Diese Bevollmächtigung gilt nicht nur für die Beantragung der Leistung, sondern auch für die Entgegennahme der Leistung. Hierauf sollte der Mandant hingewiesen werden. Solange keine Anhaltspunkte entgegenstehen, wird die vorgenannte Bevollmächtigung zugunsten desjenigen gesetzlich vermutet, der den Antrag auf Leistung auch im Namen des anderen gestellt hat, § 38 Abs. 2 SGB II.
Rz. 293
Hat also im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft stets der Ehemann die Leistung beantragt, dann gilt er aus Sicht des Staates als Bevollmächtigter der Bedarfsgemeinschaft, die er mit seiner Ehefrau bildet. Er kann die Leistung nicht nur beantragen. Sie kann auch (erfüllend) allein an ihn ausgezahlt werden. Trennen sich die Ehegatten, ohne das zuständige Amt (Jobcenter) hiervon zu unterrichten, kann in dem vorgenannten Falle die Leistung zugunsten der Ehefrau nach wie vor mit Erfüllungswirkung an den Ehegatten bewirkt werden. Dieser erhält automatisch zusätzlich zu seinen eigenen Leistungen diejenigen der Ehefrau. Er wäre dann zwar zur Rückerstattung der Bezüge an die Ehefrau nach §§ 812 ff. BGB verpflichtet. Es besteht aber die Gefahr der Entreicherung bzw. die rein faktische Gefahr der fehlenden Zahlungsfähigkeit.
Rz. 294
Hinweis
Der leistungsberechtigte Ehegatte ist also im Falle einer Trennung darauf hinzuweisen, dass er möglichst umgehend das Jobcenter von der Trennung informieren sollte!
Rz. 295
Auch soweit ein Leistungsanspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII (Sozialhilfe) oder auf Ausbildungsförderung (BAFöG) in Betracht kommt, ist an das Bestehen der Bedarfsgemeinschaft bzw. die Folgen der Auflösung derselben durch Trennung zu denken.
Rz. 296
Hinweis
Bei der Ermittlung der Hilfsbedürftigkeit im Sozialrecht wird nicht nur auf das Einkommen des Antragstellers abgestellt, sondern auf das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft.
Leben Ehegatten voneinander getrennt, ist die Bedarfsgemeinschaft nicht mehr existent. Die Hilfsbedürftigkeit muss neu berechnet werden.
Bestand eine Bedarfsgemeinschaft, dann bestand damit auch eine Vertretungsmacht desjenigen Ehegatten, der die Leistung beantragt hatte, diese Leistung entgegenzunehmen. Endet die Bedarfsgemeinschaft durch Trennung der Ehegatten, entfällt auch die Vertretungsmacht.