Rz. 22
Die Erklärung der Annahme als auch die Ausschlagungserklärung sind Willenserklärungen, die – wie alle Willenserklärungen – Willensmängeln unterliegen können. Während das Gesetz in § 1954 BGB und § 1955 BGB für die Form und Frist der Anfechtung besondere Regeln beinhaltet, fehlt es bezüglich der Anfechtungsgründe im 5. Buch des BGB an besonderen Vorschriften, so dass hierfür die allgemeinen Grundsätze der §§ 119 ff. BGB Anwendung finden. Von besonderer Bedeutung ist dabei in der Regel der Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB.
Rz. 23
Ein Eigenschaftsirrtum liegt dann vor, wenn der Erbe über die tatsächliche Zusammensetzung des Nachlasses im Irrtum war. Wenn er also die Erbschaft in Unkenntnis weiterer Nachlassaktiva ausgeschlagen oder in Unkenntnis weiterer Nachlasspassiva angenommen hat. Das spätere Auftauchen weiterer Nachlasspassiva allein reicht allerdings für die Anfechtbarkeit der Annahmeerklärung ebenso wenig aus, wie das Auftauchen neuer Nachlassaktiva für die Anfechtbarkeit der Ausschlagungserklärung, weil nach § 119 Abs. 1 BGB erforderlich ist, dass der Erbe bei Kenntnis der wahren Sachlage und verständiger Würdigung des Falles die Erklärung nicht abgegeben hätte. Dies wird man bei Anfechtung der Annahmeerklärung nur dann annehmen können, wenn die neu entdeckten Verbindlichkeiten bewirken, dass es nunmehr an einem wesentlichen Reinnachlass fehlt. Es besteht aber kein Anfechtungsrecht, wenn bei scheinbarer Überschuldung des Nachlasses die Ausschlagung ausdrücklich ungeachtet des Nachlasswertes erklärt wird, sich der Nachlass aber später als werthaltig herausstellt.
Rz. 24
Die Anfechtung kann regelmäßig nur binnen sechs Wochen erfolgen (§ 1954 Abs. 1 BGB). Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland hatte oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist (auch nur kurzzeitig) im Ausland aufhält (§ 1954 Abs. 3 BGB). Die Frist beginnt mit Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung beginnt die Frist jedoch mit dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage wegfällt (§ 1952 Abs. 2 BGB). Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Annahme oder der Ausschlagung 30 Jahre verstrichen sind (§ 1954 Abs. 4 BGB).
Rz. 25
Weil über § 1943 BGB das Versäumen der Ausschlagungsfrist als Annahmeerklärung fingiert ist, kann gemäß § 1956 BGB auch die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten werden. Eine Anfechtung der Fristversäumnis ist vor allem dann möglich, wenn der Erbe nicht weiß, dass durch ein Nichthandeln die Ausschlagungsfrist verstreicht und er dadurch die Erbschaft annimmt bzw. weil sich der Erbe entweder über Dauer oder Beginn der Frist irrt.
Rz. 26
Die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Für die Erklärung gelten die (Form-)Vorschriften des § 1945 BGB bzw. § 1955 BGB. Es findet die besondere örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts am gewöhnlichen Aufenthalt des Erklärenden gemäß § 344 Abs. 7 FamFG Anwendung. Ein Irrtum über die Formbedürftigkeit der Ausschlagung führt zur Anfechtbarkeit. Eine Anfechtungserklärung, die in einer fremden Sprache ohne Übersetzung in die deutsche Sprache bei dem Nachlassgericht eingereicht wird, ist nach Ansicht des OLG Köln nicht geeignet, die Frist zu wahren.